Das Haus der Sonnen
gekommen.«
»Die Entscheidung liegt bei Euch«, sagte Cirlus.
»So ist es«, erwiderte ich. »Jetzt und immerdar.«
Ich stach mich mit der magischen Nadel und beobachtete, wie ein funkelnd roter Blutstropfen hervortrat. Schmerz empfand ich keinen. Irgendwo in meinem Königreich bekam Calidris, der mächtigste aller Magier, mehr als seinen Anteil daran ab.
Einundzwanzig
»Sie sind kein Narr«, sagte Mezereum mit erhobener Stimme, damit sie auch vom Publikum verstanden wurde, obwohl sie sich an den Gefangenen wandte. »Sie waren zugegen und haben das eine oder andere mitbekommen. Sie wissen genau, was ich mit Ihnen vorhabe.«
»Dann sollten Sie’s besser schnell hinter sich bringen«, sagte Grilse. »Sie langweilen mich auch so schon zu Tode.«
Man hatte ihn auf einen der größten Balkone des Turms verlegt. Er war aus der Stasis heraus. Mezereum hatte den Jurtina verloren, der sich in einen weiteren Staubhaufen verwandelt hatte, doch bei Grilse hatte sie mehr Erfolg gehabt. Wie erhofft befand sich seine Stasiskammer in einem besseren Zustand als die anderen drei. Er hatte den Übergang in die Realzeit ohne Komplikationen überstanden und befand sich nun im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinn in der Hand der Gentianer.
Oder zumindest hatte das bis gerade eben gegolten. Weil wir befürchteten, Grilse könnte sich das Leben nehmen oder sich auf andere Weise der weiteren Befragung entziehen, hatte Mezereum ihn in eine Manipulationskammer gezwängt. Dabei handelte es sich um einen komplizierten, aufrecht stehenden Kasten mit einem skelettartigen Rahmen, der vollgestopft war mit Maschinenaspik und ein durchscheinendes, kalt leuchtendes Rechteck bildete, in das Grilse – dessen Kleidung man entfernt hatte – eingepfercht war. In dem Kasten konnte er atmen und sich unterhalten, nicht aber sich bewegen. Hätte er über einen implantierten Selbsttötungsmechanismus verfügt, hätte er ihn in den Phasen, da man ihn zwecks Befragung heruntergeschaltet hatte, wahrscheinlich schon in der Stasiskammer ausgelöst.
Der Tranchierapparat nahm die Mitte der Bühne ein, und der Kasten, in dem Grilse eingesperrt war, war ein Teil davon. Über dem Kasten schwebten kreisförmig angeordnete Rechtecke aus einem glasartigen Material, jedes so lang und so breit wie der Rahmen des Kastens. An jedem Rechteck war eine graue Stange mit Levatoren befestigt, deren Intelligenz ausreichte, Mezereums Anweisungen zu befolgen. Dies alles hatten die Realisatoren anhand alter Baupläne hergestellt.
Der Aspik war bis in seine Lunge und sein Nervensystem vorgedrungen. Er versorgte ihn mit Luft und Informationen, ermöglichte ihm das Atmen und erlaubte ihm, sich innerhalb gewisser Grenzen zu bewegen und zu verstehen, was Mezereum sagte. Wir sahen, wie seine Brust sich hob und senkte, wie er der auf und ab schreitenden Mezereum mit den Augen folgte.
»Ich habe drei Ihrer Komplizen getötet«, sagte sie. »Ich war ohne Zögern bereit, auch Ihren Tod in Kauf zu nehmen, doch nun hat sich die Lage verändert. Eine von uns ist tot. Sie wurde ermordet, als sie dicht davor stand, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Deshalb werde ich Sie nicht töten – oder erst dann, wenn ich sicher bin, dass Sie alles gesagt haben, was Sie wissen, und ich das Interesse an Ihnen verloren habe. Abgesehen von den Informationen in Ihrem Kopf sind Sie für mich wertlos. Und ich werde herausfinden, was Sie wissen – wenn nötig Stück für Stück.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Es wird Ihnen nichts nützen.«
Mezereum wandte den Blick zur Seite. »Die erste Platte absenken.«
Eine der kreisenden Platten löste sich aus der Gruppe und senkte sich herab, bis sie über dem Kasten in der Schwebe verharrte. Auf ein Kopfnicken Mezereums hin senkte sie sich noch weiter ab, durchdrang das unsichtbare Glas und teilte den Aspik in einer sauberen, nach unten wandernden Linie. Der Rand der sich absenkenden Platte war gerade so eben zu erkennen.
»Sie werden spüren, wie die Platte Sie durchschneidet«, erklärte Mezereum dem Gefangenen. »Es wird weniger schmerzhaft sein, als man eigentlich meinen sollte, denn die Nerven werden unmittelbar nach dem Durchtrennen gleich wieder hergestellt. Aber Sie werden ein unangenehmes Prickeln spüren, als wandere eine scharfkantige Kaltfront durch Ihre Seele hindurch. Nach einer Weile werden Sie spüren, dass der eine Teil Ihres Körpers sich auf der einen Seite des Glases befindet und der Rest auf der
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