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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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bieten die Voraussetzungen für den Gesang. Die nach unten gleitenden Sandkörner geraten mit der Außenschicht in Resonanz. Sie beginnt zu schwingen, wie ein riesiges Trommelfell. Die Schwingungen wirken auf die gleitenden Sandkörner zurück und synchronisieren deren Eigenschwingungen. Die Membran vibriert daraufhin noch heftiger und versetzt die Luftmoleküle in Schwingung. Dann ertönt eine Art Musik.« Nach einer Weile sagte er: »Wundervoll, nicht wahr?«
    »Wunderschön und auch ein bisschen unheimlich.«
    »Wie alle guten Dinge im Universum.« Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich habe gerade eben mit Miere gesprochen.«
    »Du hast schon immer ein Auge auf sie geworfen.«
    »Aber ich habe sie nicht angerührt. Sie hat eine Bemerkung gemacht, die mich nachdenklich gestimmt hat. Wir haben im Moment viel um die Ohren – Hesperus, die beiden anderen Robots, Grilse und die übrigen Gefangenen, der Angriff auf die Familie und die Gefahr einer Entdeckung. Selbst nach den Maßstäben der Familie sind das genug Sorgen für ein ganzes Leben. Trotzdem sind wir immer noch am Leben . Wir sind am Leben und haben noch Freunde und einen Ort, wo wir unterkommen können. Es ist ein wundervoller Abend, und die Dünen von Neume singen uns ihr Lied. Das sind nicht irgendwelche alten Dünen, weißt du. Das sind die Überreste der Megastrukturen der Versorger, die vom Himmel gefallen sind. Die funkelnden Überreste einer ausgestorbenen Zivilisation, die Relikte von Intelligenzen, die sich für Götter hielten, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick nach galaktischem Maßstab, geben uns ein Ständchen. Wie fühlst du dich dabei?«
    »Als würde ich zu spät leben«, sagte ich.
     
    Die Splitterlinge frühstückten gemeinsam auf einer Terrasse nahe der zwiebelförmigen Spitze des Gebäudes. Die Terrasse war teilweise offen, nur die eine Hälfte wurde von einem Kuppeldach überdeckt. Ymir erstreckte sich in alle Richtungen; unaufhörlich flitzten Flugapparate und geflügelte Einheimische zwischen den Türmen hin und her. Brücken und Hochpromenaden waren mit bunten Fahnen geschmückt. Die Luft war angenehm frisch, und ich fühlte mich nach dem ausgiebigen Schlaf erholt. Die Planetenrotation war an den Familien-Standardtag angepasst worden, und da wir uns nahe der Tagundnachtgleiche befanden, war es auf Ymir fast zwölf Stunden lang dunkel gewesen.
    Campion und ich trafen gemeinsam am Frühstückstisch ein. Dieser war quadratisch, mit zwölf bis fünfzehn Sitzplätzen an jeder Seite. In der Mitte des Tisches rotierte eine Projektion der Galaxis. Zu essen und zu trinken gab es in Hülle und Fülle. Man hatte uns benachrichtigt, wann das Frühstück beginnen würde, doch die anderen waren offenbar schon vor einer ganzen Weile eingetroffen. Als wir dazukamen, waren nur noch zwei einander gegenüber liegende Sitzplätze frei. Verdutzt hielten wir inne, uns bei den Händen haltend.
    »Ich mache euch Platz«, sagte Bartsia, die zufällig neben einem der freien Stühle saß. Sie machte Anstalten, sich zu erheben, und raffte bereits ihr Kleid.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Medicago mit amüsiertem Unterton. »Campion und Portula haben bestimmt nichts dagegen, getrennt zu sitzen – ebenso wenig wie der Rest von uns. Oder irre ich mich?«
    »Ist schon gut«, sagte ich zu Bartsia. »Du kannst sitzen bleiben. Trotzdem danke.«
    Ich setzte mich neben sie, während Campion zwischen Bilse und Karde Platz nahm.
    Betonie, der seitlich von uns saß, hob ein Glas Orangensaft an die Lippen. »Habt ihr gut geschlafen, Splitterlinge?«, fragte er zwischen den Schlucken. »War die Unterbringung nach eurem Geschmack?«
    »Wir können nicht klagen«, erwiderte Campion.
    Jeder von uns hatte mindestens ein ganzes Stockwerk des Turms für sich, unterteilt in mehrere Räume mit hohen Decken, Panoramafenstern und geschwungenen Wänden.
    »Ich nehme an, du sprichst auch für Portula?«, sagte Betonie übertrieben freundlich.
    »Campion kennt meinen Geschmack«, sagte ich. »Es ist sein gutes Recht, für mich zu sprechen. Übrigens – wir haben zusammen geschlafen. Ihr alle wisst es doch oder ahnt es zumindest, also was soll das Getue?«
    »Jetzt, in der dunkelsten Stunde der Familie, solltet ihr wenigstens versuchen, der Tradition treu zu bleiben«, sagte Betonie.
    »Als hättest du noch nie einen anderen Splitterling gevögelt«, sagte ich.
    »Muss das beim Frühstück sein, Portula? Reiß dich bitte zusammen.«
    »Du hast damit angefangen, Betonie, nicht

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