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Das Haus der Tänzerin

Das Haus der Tänzerin

Titel: Das Haus der Tänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Lord Brown
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marschiert sind, beginnen die Vergeltungsschläge.« Er sprach undeutlich und verlor immer wieder das Bewusstsein. Er spürte einen dumpfen, pochenden Schmerz in seinem linken Arm und versuchte, ihn zu bewegen, aber es ging nicht. »Das war unser Krieg, nicht? Hugo? So ein pittoresker Krieg – ein grausames, blutiges Chaos, aber, Herrgott, das Land ist so … prachtvoll. Und die Frauen … ich vermisse die Frauen, Hugo. Bei den Männern hat Gott es vermasselt, aber die Frauen hat er gut hingekriegt. Gibt es noch etwas, das so vollkommen ist?« Er gab sich einen Moment der Erinnerung hin: Das Bild von Macu, nackt, trieb an die Oberfläche, während sich die Dunkelheit auf ihn herabsenkte. Er hatte das Gefühl, unter Wasser zu sein, der Angriff, der um ihn herum tobte, war gedämpft und weit weg.
    »Nach Hause«, murmelte Charles, als er wieder zu Bewusstsein kam. Als er sich bewegen wollte, zuckte er zusammen, weil sein Arm schmerzhaft pochte. »Ich will nach Hause … zu meinen Schmetterlingen. Sie sind wunderschön. Gott hatte einen guten Tag, als er Schmetterlinge erfunden hat …« Er verdrehte die Augen. »Vielleicht ist es möglich, zu wissen, dass die Wahrheit über die Welt ganz grässlich ist, und doch das Wunder des Lebens zu erkennen. Was meinst du, Hugo?«
    »Der hier lebt noch!«, rief jemand. Dann Schritte.
    »Wie werden sie wohl darüber berichten, Hugo?«, fragte er. »Was sollen wir tun? Wir beide haben so viel gesehen, wir haben die Wahrheit gesehen, und sie erzählen einfach etwas anderes? Ich hoffe zu Gott, dass es nun mit dem doppelzüngigen Gerede ein Ende haben wird. Stell dir eine auf Lügen und Unsinn aufgebaute Welt vor … haben wir dafür gekämpft?«
    »Wartet! Ich kenne ihn«, rief ein Mann von der Straße her. »Bringt eine Bahre!«
    Charles spürte, wie jemand irgendetwas neben ihm wegzog. Ein unerträglicher Schmerz strahlte plötzlich von Charles’ Arm aus.
    »Es ist Zeit, Charlie«, sagte Capa.
    »Warte …«, murmelte Charles, der vor Schmerzen fantasierte. »Hugo …«
    »Er ist von uns gegangen, Charlie.« Capa beugte sich über ihn. »Ich habe überall nach dir gesucht.«
    Charles warf einen schnellen Blick zu Hugo hinüber und unterdrückte ein Schluchzen. »Ich hab die Aufnahme, Capa.«
    Capa sah Charles in die Augen, in seiner Miene spiegelte sich Mitgefühl. »Diesmal warst du wohl zu nahe dran, Charlie.« Er half dem Fahrer des Rettungswagens, ihn auf die Bahre zu heben. »Lass uns zusehen, dass wir hier rauskommen. Wir treffen uns in Frankreich wieder.«
    »Ja … Frankreich.« Vor Charles’ Augen tanzten Lichter. »Warte …«
    Capa drehte sich um. Charles versuchte, ihm seine Kamera zu geben. »Möchtest du, dass ich den Film an deine Zeitung schicke?«
    »Ja. Und dann nimm sie. Ich kann sie jetzt nicht mehr gebrauchen.«
    »Ich kann doch nicht …«
    »Doch, wirklich. Ich hätte gerne, dass du sie nimmst. Es ist eine Contax. Ich hätte mir lieber ein Auto kaufen sollen, wie Hugo gesagt hat.«
    »Danke.« Capa drückte ihm die rechte Hand.
    »Mach ganz besondere Bilder damit. Zeig es der Welt.«
    Der Sanitäter deckte Charles auf der Bahre zu und legte ihm vorsichtig ein Tuch über seinen von Kugeln zerstörten linken Arm. »Komm schon, mein Junge, jetzt fahren wir dich mal weg von hier.«
    »Moment.« Charles drehte den Kopf zur Seite, als er weggetragen wurde, und er blickte Hugo zum letzten Mal in die Augen, die nichts mehr sahen.

44

    Valencia, Januar 2002
    Nachdem sie durch das ganze Dorf gegangen war, war Emma außer Atem. Sie tauchte die Hand in den Brunnen bei der Kirche und kühlte sich die Handgelenke. Tauben stießen auf den Platz herab, weiß vor dem ockerfarbenen Putz und dem blendend blauen Himmel, an dem bereits das Gold des Sonnenuntergangs schimmerte. Sie setzte sich auf die niedrige weiße Mauer und suchte in ihrem Korb nach einer Flasche Wasser, trank einen Schluck und wischte sich die Lippen ab. Sie nahm auch das Bild aus dem Korb, das sie gerade von der Rahmung abgeholt hatte. Die Goldauflage glänzte in der Abendsonne, als sie die Blisterfolie aufriss. Die Fotos von Rosa und Jordi steckten nun nebeneinander unter Glas.
    »Wer wart ihr?«, fragte Emma leise. Sie betrachtete Jordis Gesicht, das so stolz und stark war, und Rosa. Als eine elegant gekleidete Frau aus der Kirche kam, blickte sie auf. Die Frau unterhielt sich mit dem Kellner im Café nebenan, und Emma winkte ihr, als sie Macu erkannte. Unter ihrem Wintermantel trug sie eine weiße

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