Das Haus der Tänzerin
Libby, bei deiner Mummy – bei Freya und mir.«
Spanien, dachte er, und sein Magen zog sich zusammen. Das Alleinsein tat ihm derzeit nicht gut, er kam nicht zur Ruhe, wurde die Erinnerungen nicht los. Charles bedeckte das Gesicht mit der Hand. »Neunundneunzig, hundert«, rief er. Er lief durch das Haus und ging direkt in den Wintergarten. Bis auf zwei verstaubte alte Lloyd-Loom-Sessel war er jetzt leer – Charles hoffte, er würde eines Tages wieder voller Pflanzen und Schmetterlinge sein. Das Echo seiner Schritte hallte über die gesprungenen Fliesen. »Ich komme!« Er wusste, dass sich Liberty immer in dem kleinen Alkoven in der Ecke versteckte, und er zog die Tür auf.
»Das ist gemein!« Liberty schmollte.
»Genau, Libby«, sagte Charles. Sein Herz raste. »Spielen wir ein anderes Spiel. Ich verrate Matie nicht, wo du dich versteckst. Ich möchte, dass du hierbleibst, verstanden?« Das Mädchen nickte. »Ich will, dass du ganz, ganz still bist.«
»Wie eine Maus!«
»Genau, wie eine Maus.« Charles warf einen Blick auf seine Uhr. Sie würden jeden Augenblick eintreffen. »Bleib hier, bis ich dich hole.«
Er schob die Schranktür zu und schloss sie ab.
»Matie!«, rief er, als er hinaus in den Garten ging. »Matie!« Hinter dem Gartenhaus kicherte es. »Gefunden!« Er nahm sie hoch und umarmte sie. Er hatte einen Kloß im Hals. Charles trug sie ins Haus, und sie hielt sich an seinem Hals fest. »Matie, ein paar nette Leute vom Komitee werden gleich hier sein, mit ein paar anderen Leuten, aus Spanien.«
»Von zu Hause?«
»Ja, Matie, von zu Hause. Libby versteckt sich«, sagte er. »Sie versteckt sich sehr, sehr gut. Diese Leute dürfen sie nicht finden, Matie. Wenn sie dich fragen, wo Libby ist, sagst du, dass sie weg ist. Du sagst, ihr hättet gestern Abend gespielt, und Libby wäre weggegangen.«
»Ja, Onkel Charles.«
»Das ist ein Spiel«, sagte er leise. »Nur ein Spiel.« Es klopfte an der Tür. »Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.« Er öffnete die Tür. Mit grimmiger Miene betrachtete er die Männer auf der Schwelle. Eine Frau vom Rettungskomitee trat vor und nahm Matie an der Hand.
»Auf Wiedersehen, Matie.« Er kniff die Augen zusammen, während er sie auf den Kopf küsste. »Gott segne dich.«
»Haben Sie die Papiere des Kindes?«
»Ja. Einen Augenblick.« Charles griff in seine Tasche und reichte sie dem Mann.
»Wo ist das andere Kind?«
»Hat man Ihnen das nicht gesagt?« Charles hielt seinem Blick stand. »Es gab einen Unfall. Lourdes del Valle wurde bei einem Bombenangriff getötet.«
»Das tut mir leid. Wir werden dem natürlich nachgehen.« Der Mann schüttelte ihm die Hand. Er kniff die Augen zusammen, als er sah, dass Charles der Arm fehlte. »Das muss sehr schwer für Sie sein. Ich kann Ihnen versichern, die Zukunft des Kindes liegt in Spanien.«
Charles betrachtete Maties fröhliches, hoffnungsfrohes Gesicht hinten im Auto. Sie winkte ihm zu. »Passen Sie gut auf sie auf«, sagte er leise und schloss die Tür.
Charles lehnte sich an die Wand, lauschte dem wegfahrenden Auto. Sein Herz klopfte heftig. Er taumelte in die Küche, goss sich einen großen Whisky aus der Flasche auf der Anrichte ein und nahm das Telefon.
»Hallo«, sagte er. Mit zitternder Hand hielt er den Hörer. »Ist dort das Kinderkomitee? Hier spricht Charles Temple. Ich habe leider eine schlechte Nachricht. Das kleine Mädchen, das bei uns wohnte, Lourdes del Valle. Ja …« Die Frau am anderen Ende der Leitung ging ihre Unterlagen durch. »Wir wurden gestern während des Bombenangriffs draußen erwischt.« Er hörte der Frau zu. »Sie wurde leider getötet. Ja, wir anderen sind alle unverletzt, wir haben nur ein paar Schrammen. Nein, eine Leiche wurde noch nicht gefunden. Ja, natürlich. Ich komme vorbei und unterschreibe alles, was Sie brauchen. Vielen Dank. Ja, wir sind alle am Boden zerstört.«
»Charles?«, sagte Freya. Er wirbelte herum. Sie stand mit aschfahlem Gesicht hinter ihm in der Küche. Sie hatte einen Korb mit Einkäufen für die Reise nach Cornwall in der Hand.
»Auf Wiederhören«, sagte er und legte auf.
»Charles, was hast du getan?«
»Ich hatte keine Chance, Freya. Sie wollten Liberty holen.«
»Was hast du getan?«, brüllte sie.
»Matie ist nach Hause zurückgekehrt, aber Libby ist in Sicherheit.«
»Wovon redest du? Bist du verrückt geworden? Wie konntest du nur so tun, als wäre sie tot? Ich wollte sie ganz legal adoptieren.« Freya ging zum Telefon. »Ich rufe jetzt
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