Das Haus der Tänzerin
ihr treu geblieben. Ich habe mein Bestes versucht …«
»Das glaube ich dir sofort.«
»Dann habe ich gehört, dass er sich von ihr getrennt hat. Am ersten Abend unseres letzten Semesters wollte ich ihm sagen, dass ich in ihn verliebt bin.« Delilah lachte bitter. »Aber dann kamst du daher, zu deinem dämlichen Kurs, und hast dich lebendig und schön wie ein frischer Lufthauch breitgemacht.« Sie seufzte. »Joe hat sich mir an diesem Abend anvertraut – kannst du das fassen? Ich habe gesehen, dass es für euch beide Liebe auf den ersten Blick war.« Sie sah Emma in die Augen. »Ich habe meine eine Chance verpasst. Du hast mir diesen Moment gestohlen. Ich habe dich gehasst.«
Emma hielt ihrem Blick stand. »Das hast du gut versteckt.« Sie drehte sich um und ging weiter Richtung Kirche.
»Ich wollte ihn nicht verlieren. Wenn ich dir meine Gefühle gezeigt hätte, dann hätte ich Joe auch verloren. Es heißt, Liebe ist nur eine andere Art, einen Freund zu betrachten. Ich musste lernen, meine Liebe zu Joe wie Freundschaft aussehen zu lassen.«
»Also nichts davon … unsere Freundschaft, das war alles nur gespielt?«
»Am Anfang. Aber du … du bist einfach so verdammt liebenswert. Ich glaube, ich habe mich das erste Mal für dich erwärmt, als ich damals im Winter die Grippe hatte.«
»Für mich oder meine Ingwer-Hühnersuppe?« Emma hatte sich damals stundenlang um Delilah gekümmert. Zahllose Wärmflaschen, Stunden mit alten Ausgaben der Vanity Fair und der Vogue auf ihrem Bett, umgeben von Papiertaschentüchern. »Ich weiß nicht, warum ich mich nicht angesteckt habe.«
»Du? Du bist nie krank. Du hast ein Immunsystem wie ein Nilpferd.«
»Sind die gesund?«
»Keine Ahnung.« Delilah wühlte in ihrer Handtasche und zündete sich eine Zigarette an. »Ach, was für ein Durcheinander, Em. Es tut mir leid.«
Emma blieb auf den Stufen stehen, die zur Kirche hinaufführten, und sah Delilah an. Das war die Frau, die absichtlich ihr Leben zerstört hatte. Aber sie leidet auch, dachte sie. Widerwillig umarmte Emma sie. »Ich verzeihe dir.«
»Wirklich?«
»Was bleibt mir anderes übrig? Wir beide …« Sie zögerte. »Wir haben ihn beide verloren.«
Delilah umarmte sie. »Danke. Das Leben ist zu kurz, Em, das hat deine Mum einmal zu mir gesagt.« Emma erstarrte, als Libertys Name erwähnt wurde, aber Delilah hielt sie weiter fest. »Sie hatte recht, so wie immer. Lassen wir die Vergangenheit hinter uns.«
»Wie du gesagt hast, ich will nur einen klaren Schnitt.« Emma trat von ihr weg, als Luca mit Joseph in den Armen auf sie zukam. »Bleib, wenn du willst, oder geh. Mir ist das egal. Für dich gibt es hier nichts.«
Als Delilah ihr zusah, wie sie in die Kirche ging, versteinerte ihr Gesicht, und sie flüsterte: »Darauf würde ich mich nicht verlassen.«
Ein großer Haufen entwurzelter Baumstümpfe lag am Rand des Dorfes aufgetürmt, bereit für die Feuer. Es sah aus wie ein Scheiterhaufen, die Wurzeln waren noch mit roten Erdklumpen verkrustet. Dahinter liefen Gestalten im grauen Licht des Spätnachmittags über das offene Land, wie die Seelen der Vertriebenen, die Augen zu Boden gerichtet.
»Was machen die dort, diese Leute?«, fragte Delilah, als sie mit quietschenden Reifen daran vorbeifuhr.
»Sie sammeln Schnecken«, sagte Emma vom Rücksitz aus. Sie hatte Joe mit einer Decke in seine Babyschale gelegt. »Es ist Fallas. Alle kochen Paella.«
»Was machen sie mit den Schnecken?«
»Sie stecken sie zusammen mit Kräutern in eine Tüte, säubern sie und essen sie. Du solltest sie mal probieren.«
»Das klingt ja ekelhaft.« Delilahs Mietwagen holperte über die Straße. »Verdammt«, brummte sie, als sie in ein Schlagloch fuhr, »vielleicht hätten wir mit deinem fahren sollen. Das wird mir die Spur verziehen. Ich weiß nicht, wie du hier leben kannst. Ich meine, sieh dir doch dieses Loch hier an – das ganze Land ist eine einzige Baustelle. Überall räudige Hunde. Schau nur …« Sie deutete auf eine Herde brauner Schafe, die in der staubigen Erde im Schatten eines Olivenbaums grasten. »Das ist ja wie in der Bibel.«
»Mir gefällt es hier.«
»Du musst dich nicht verteidigen, meine Liebe. Ich mache mir nur Sorgen um dich, Em, das ist alles. Du bist ja wirklich anderes gewöhnt.« Sie fuhr sich mit der Hand durch ihre glänzenden, blonden Haare. Emma staunte immer wieder, wie klein Lilas Finger waren. Wie bei einem Kind verjüngten sie sich von einer weichen, runden Handfläche aus zu
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