Das Haus der Tänzerin
…«
»Sie hat vor einiger Zeit geheiratet«, log Charles und dachte voller Gewissensbisse an all die Briefe, die er vernichtet hatte. »Sie hat eine Tochter.« Er sah Tom seine Enttäuschung an. Aber er wollte nicht riskieren, dass jemand, der irgendeine Verbindung zu Spanien hatte, Bestandteil ihres Lebens war. Sie waren nur dann sicher, wenn sie sich voll und ganz von ihrer Vergangenheit lossagten. »Sie kommt nicht wieder.«
Charles erhob sich mühsam und warf den Becher in einen Mülleimer. Er schlurfte zum Gartenmarkt und entdeckte Freya ein Stück weiter vorn und wählte Pflanzen für die Beete aus.
»Frey!«, rief er. Lächelnd blickte sie auf. Sie ist immer noch schön , dachte er, als er auf sie zuging. Es war wie ein Gemälde: die bunte Blumenpracht in dem schwächer werdenden Licht hob die kantigen Linien ihres weißen Bobs und ihren gebückten, schlanken Körper in dem schwarzen Markenrollkragenpullover hervor.
»Ich bin noch nicht fertig«, blaffte sie ihn an. »Du weißt doch, dass ich nicht gerne gedrängelt werde. Du solltest Tee trinken und auf mich warten.«
»Nun kommandiere mich doch nicht dauernd herum.« Er tippte auf den Newsletter, der aus seiner Jackentasche ragte. »Es ist wieder einer gestorben – einer von den Bluttransfusionseinheiten.«
Freya schaute ihn entsetzt an. »Aber nicht Tom Henderson?«
»Nein, aber das ist der Name, der mir gerade nicht eingefallen ist. Wer war das?«
»Tom?« Freya strich über die Blüte des dunkelblauen Stiefmütterchens, das sie in der Hand hielt. Charles fiel auf, wie weich ihre Miene wurde, wie traurig ihre Augen schauten. »Tom war …« Sie zuckte die Schultern und stellte die Pflanze zurück. »Wir waren verliebt. Ich hoffte immer …« Sie seufzte. »Na ja, es hat nicht geklappt. Zuletzt habe ich gehört, dass er mit Bethune nach China gegangen ist. Er hat mich vergessen.« Sie schlang die Arme um sich. »Ich habe ihn allerdings nie vergessen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nie geheiratet habe. Kein anderer Mann konnte Tom das Wasser reichen.«
»Herrgott noch mal, die ganze Zeit über? Warum hast du mir nie von ihm erzählt?«
»Ich weiß nicht, warum ich es dir jetzt erzähle.« Sie ging weiter durch den Gartenmarkt und betrachtete die bunten Pflanzen, die für den Frühling aufgereiht waren. »Wahrscheinlich wegen Emma und dem Baby. Es ist wie ein neuer Anfang für uns alle. Nach Liberty und der armen Matie …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. »Meine eigenen Probleme schienen nicht mehr wichtig. Ich habe mich dort unten in Cornwall vergraben, ein neues Leben angefangen.« Freya folgte ihm mit dem Blick, während er weiterging. »Du weißt, dass dieses Wochenende die Taufe ist, und Fallas.«
»Ach Frey, ich habe mich bisher immer noch nicht entschieden.«
»Ich wäre gerne dort, wegen Emma. Delilah ist auf dem Weg, und ich traue ihr nicht. Nicht im Mindesten.«
Sie schlurften gemeinsam durch das Gedränge auf den Straßen.
»Warum hast du mir das alles nicht schon vor Jahren gesagt?«, fragte er, als sich die Tür hinter ihnen schloss. »Dieser Kanadier ist nämlich einmal in London aufgetaucht.«
»Tom?« Freya blieb der Mund offen stehen. »Tom ist zu mir gekommen?« Freya tastete hinter sich und ließ sich auf einen Stuhl neben dem Fenster zur Straße sinken.
»Ja, ein sehr angenehmer Typ. Ich habe ihm erzählt, du wärst verheiratet und hättest ein Kind.«
»Ach, Charles.« Kopfschüttelnd schaltete sie das Licht an. »Warum?«
»Na ja, du hast zu dem Zeitpunkt immer noch nicht mit mir geredet. Ich dachte, es wäre sicherer, wenn wir alle Verbindungen nach Spanien kappen. Ich wollte euch beide schützen.« Er drückte ihr die Schulter. »Da waren auch Briefe …« Charles zuckte zusammen, als Freya überrascht aufschrie. »Wenn ich ehrlich sein soll, ich dachte, es wäre nur so eine Kriegsromanze.«
»Warum hast du mir das nicht erzählt?«
»Herrgott, Frey, es tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte …« Charles nahm seine Brille aus der Brusttasche. »Wenn er so wichtig war, warum hast du nicht versucht, ihn ausfindig zu machen?«
»Ich hatte Angst.« Freya blickte auf ihre Hände. »Als ich nichts von ihm hörte, hatte ich Angst, er hätte jemand anderen gefunden oder dass sich das ändern würde, was wir hatten. Ich hatte Angst, mehr zu lieben, als geliebt zu werden.« Sie warf einen kurzen Blick zu Charles.
»Lächerlich. Ich habe noch nie erlebt, dass du Angst vor etwas gehabt hättest.« Er
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