Das Haus der Tänzerin
sie wollte mich ein bisschen abhärten.«
»Hat es funktioniert?«
»Sag du es mir.« Emmas Lachen verblasste. Sie hatte Grasse geliebt, die steilen Hänge mit dem Duft von Mimosen. Manchmal fragte sie sich, was passiert wäre, wenn sie in Frankreich geblieben wäre. »Trotzdem, ich habe Joe kennengelernt, und jetzt …« Sie strich sich über den Bauch. »Ich kann eigentlich nichts davon bereuen.«
»Olivier und ich hatten viel Spaß.« Luca trat zur Seite, um eine Gruppe von Teenagern vorbeizulassen. »Wir hatten eine winzige Wohnung mit Blick auf die Sacré-Cœur. Wir haben alles miteinander geteilt …«
»Wein, Brot, Frauen?«
Luca lächelte. »Aber dann hat es Paloma geschafft, Mamás Argusaugen, mit denen sie Palomas Jungfräulichkeit bewachte, lange genug zu entfliehen, um in einen Zug nach Paris zu steigen. Und wie das Schicksal es für Olivier wollte, war ich an diesem Abend mit einem Mädchen unterwegs, und als ich zurückkam, hatte Olivier Paloma bereits einen Heiratsantrag gemacht. Bei ihnen war es Liebe auf den ersten Blick.«
»Paloma hat erzählt, sie glaubt, Olivier wollte dich genauso sehr als Bruder wie sie als Frau.«
»Sie hat erwähnt, dass ihr beide neulich zusammen beim Mittagessen wart.« Er bedeutete ihr, in dem Gedränge voranzugehen. »Ich habe Glück. Ich liebe meine Familie. Vielleicht bin ich verwöhnt.« Luca dachte an Emmas Worte am Telefon.
Emma warf einen Blick auf die CDs in seiner Hand. »Was kaufst du?«
»Keine Ahnung. Meinst du, das gefällt einem Teenager?«
Sie sah die CDs durch. »Was hast du denn gehört, mit …«
»Siebzehn. Das ist für Benito, Palomas Ältesten.«
»Hat er Geburtstag?«, fragte Emma.
»Ja – am Samstag. Komm doch dazu.«
»Ich möchte mich nicht aufdrängen, wenn es eine Familienfeier ist.«
»Paloma würde sich ganz sicher freuen. Das Essen wird allerdings nicht so besonders. Olivier und ich machen Paella.«
»Gerne«, sagte Emma. »Und, was hast du in dem Alter gehört?«
»Punk, wenn es ging.« Luca lachte.
»Na also.« Emma führte ihn zu den Sex Pistols und reichte ihm Never Mind the Bollocks . »Das würde jedem siebzehnjährigen Jungen gefallen. Kauf ihm noch einen Geschenkgutschein dazu, dann kann er sich etwas aussuchen, was ihm wirklich gefällt.«
An der Kasse wandte sich Emma an Luca. »Jetzt musst du mir helfen, mein Geschenk für Benito zu kaufen. Was würde er sich wohl von mir wünschen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Luca. »Lass uns doch etwas trinken gehen und darüber nachdenken.«
»Wie läuft denn der Blumenladen?«, fragte Luca, als sie zwischen den Ständen des Mercado Central hindurchgingen. Es war viel los, die kühlen Gewölbe waren erfüllt vom Echo von Stimmen und von der Mischung aus dem salzigen Geruch von Krustentieren und dem Duft von süßen Früchten. »In letzter Zeit gab es im Dorf so viele Hochzeiten und Beerdigungen, dass das Geschäft florieren muss – beziehungsweise blühen.«
Emma lachte. Sie blieb vor einem Obststand stehen. »Der Garten der Düfte läuft sehr gut, danke«, sagte sie. Sie suchte eine Melone aus, atmete den sommerlichen Duft ein. Sie prüfte die Frucht, indem sie auf das feste Fleisch drückte. »Gott, ich fühle mich, als hätte ich eine davon verschluckt.« Sie rieb sich ihren harten runden Bauch.
»Jetzt hast du nicht mehr lange.« Er reichte dem Standbesitzer Geld. »Du siehst schön aus, so oder so.«
»Danke.« Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie sich darüber freute, und machte sich daran, die Melone in die Tasche zu stecken. Sie gingen zum nächsten Stand. »Habe ich dir schon erzählt, dass ich gerade mit Duftkerzen für den Laden experimentiere? Ich habe eine wunderbare alte Firma gefunden, mit der ich zusammenarbeiten kann, und sobald ich die Düfte perfektioniert habe, gehen wir in die Produktion.«
»Ich kann nicht mit dir Schritt halten.« Als Luca einem Mann auswich, der Kisten mit Fisch auf Eis vorbeizog, bemerkte er etwas in Emmas Gesichtsausdruck, eine flüchtige Besorgnis. »Ich finde es ja wunderbar, wie kreativ du bist. Dass du so viele Gelegenheiten entdeckst.«
»Ja?« Emmas Miene entspannte sich. »Danke. Mum … nun ja, sie hat in einem der Briefe, die sie mir hinterlassen hat, geschrieben, dass ich vielleicht zu … Ich weiß nicht. Ich arbeite zu viel.«
»Es hat noch nie etwas genützt, wenn jemand versucht, weniger zu sein, als er ist.« Er blickte sie an. »Sei alles, was du sein willst.«
»Bei dir klingt das ganz
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