Das Haus der Tänzerin
Kurven betonte.
»Ich möchte dich genau so in Erinnerung behalten.«
»Warte«, sagte sie lachend, griff hinüber zum Nachttisch und klappte einen schwarzen Fächer auf. Sie hielt ihn sich vor das Gesicht und blickte in die Kamera, während Charles nackt vor ihr stand.
Arm in Arm gingen sie nach unten. »Du wirst mir fehlen«, sagte sie.
»Und du mir.« Charles küsste sie auf die Stirn. »Danke.«
»Sei nicht dumm.«
»Nein.« Er sah ihr in die Augen. »Du hast mir vielleicht das Leben gerettet. Pass auf dich auf, Macu.« Draußen hupte ein Auto. »Ich sollte mich schnell verabschieden …« Seine Worte verebbten, als die Terrassentür aufsprang und Vicente losbrüllte.
»Ihr und eure Mixturen! Hexen seid ihr, allesamt!«
Charles setzte seinen Seesack ab. »Entschuldige, Macu.«
Vicente torkelte betrunken durch die Küche auf Rosa zu und warf die sorgsam etikettierten Fläschchen auf dem Tisch um. Das Baby fing vor Angst an zu weinen.
»Wo warst du?«, schrie ihn Rosa an.
»Geht dich nichts an.« Grob schob er sie zur Seite.
»Fass sie bloß nicht an!«, rief Freya.
Vicente kam auf sie zu. »Du? Du eingebildete englische Zicke, du Hure …«
Charles tippte ihm auf die Schulter, und als Vicente sich umwandte, verpasste er ihm einen Schlag mitten auf die Nase. Vicente taumelte und fiel rücklings auf den Boden.
»Sir, das ist meine Schwester. So spricht ein Gentleman nicht mit ihr.« Er bewegte das Handgelenk. »Verdammt, das hat wehgetan.«
Rosa trat in aller Ruhe über Vicente hinweg und umarmte Charles. »Das ist kein Gentleman. Das ist mein Ehemann.« Sie küsste ihn auf die Wange. »Du gehst jetzt lieber. Es ist besser, du bist nicht da, wenn er aufwacht.«
38
Valencia, Januar 2002
Die Nacht war völlig still. Nicht einmal Hunde bellten. Mondlicht drang durch die Musselinvorhänge und tauchte Emmas Bett in silbrig blaues Licht. Sie lag wach, während das Baby in ihrem Bauch Purzelbäume schlug. Sie beruhigte das Kind mit sanften Worten. »Alles ist gut.« Ihr versagte die Stimme, als sie daran dachte, wie gekränkt Luca an diesem Abend ausgesehen hatte. Es hatte keinen Sinn, sie war jetzt hellwach und musste zur Toilette – schon wieder. Mühsam stieg sie aus dem Bett, schlüpfte in ihre braunen marokkanischen Lederslipper und hüllte sich in einen schweren Wollbademantel. Im Haus war es kalt und ruhig. Sie machte sich nicht die Mühe, im Bad das Licht einzuschalten – sie musste nachts so oft dorthin, dass sie sich auch im Stockdunklen zurechtfand. Heute war das Haus durch das Mondlicht erfüllt von einem seltsamen, schönen Leuchten. Tee und Toast , dachte sie beim Händewaschen. Sie sah sich selbst im Spiegel leuchten.
In der Küche schürte sie die restliche Glut des Feuers im Herd an und warf noch ein paar Orangenholzzweige hinein. Hinter dem Fenster fielen Schneeflocken zu Boden. »Schau dir das an«, sagte sie zu dem Baby. »Schnee in Spanien, wer hätte das gedacht?« Sie fröstelte und nahm sich einen Becher Tee mit an den Kamin. Sie stützte den Kopf in die Hand, schaute den flackernden Flammen zu, ihre Augen wurden schwer und fielen zu. »Moon River …«, sang sie dem Baby leise vor.
»Wider than a mile …« Eine männliche Stimme sang mit.
Sie blickte auf. Jemand saß in der Dunkelheit neben dem Kamin. »Joe? Wie bist du …?«
»Mit wem hast du gesprochen?«
»Mit unserem Baby«, murmelte sie. »Joe, wie hast du mich gefunden? Ich dachte, du wärst … du wirst seit Monaten vermisst.«
»Ich hatte zu tun, Kleines.« Er kniete sich vor sie hin und legte ihr die Hände auf den Bauch. »Mann, bist du dick!« Er drückte den Kopf dagegen. »Er strampelt, ich spüre es.«
»Woher willst du wissen, dass es ein Junge wird?«
»Natürlich wird es ein Junge.«
»Es könnte auch ein Mädchen sein.«
»Pah! Hier drin ist der kleine Joe, oder?« Das Baby strampelte zweimal zur Antwort.
»Ich habe dich so vermisst. Ich vermisse unser Leben …«
»Hey«, sagte er sanft. »Wo ist mein Kumpel? Wo ist mein Kamerad? Dich kann nichts aus der Fassung bringen, Em. Ich kenne niemanden, der so tough ist wie du.«
»Nein, das bin ich nicht.« Sie biss sich auf die Lippe. »Ich weiß nicht, wie ich das ohne dich schaffen soll.«
Joe hockte sich auf die Fersen. Im Schein des Feuers wirkte sein Gesicht weicher, als sie es in Erinnerung hatte – golden und strahlend. »Das klingt nicht nach dem Mädchen, das ich kenne. Ich weiß noch, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Du warst so
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