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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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steht auf dich«, sagte Ryan.
    »Das bildest du dir nur ein. Das hast du früher ständig gemacht.«
    »Außer in der Türkei.«
    »Okay, das gebe ich zu. Aber die standen nur auf meine blauen Augen und das blonde Haar. Das hatte nichts mit mir persönlich zu tun.«
    »Ich könnte jetzt ein reicher Mann sein. Einer von denen hat mir für dich sein Haus geboten.« Ryan grinste.
    »Man kann nichts verkaufen, was einem nicht gehört«, erwiderte sie. »Außerdem war der höchstens sechzehn und wohnte wahrscheinlich noch zu Hause bei Mama.«
    »Das war nicht der Einzige«, sagte Ryan und stopfte sich ein ganzes Profiterole in den Mund, sodass er ihn kaum noch schließen konnte. Leah konnte nicht anders, sie musste lachen.
    »Du Ferkel! Du hast Schokoladensoße am Kinn. Was war nicht der Einzige wovon?«
    Ryan kaute lange, ehe er antwortete: »Das war nicht der einzige Brief in der Blechschachtel unseres Soldaten. Da war noch einer.«
    »Tatsächlich? Warum hast du ihn nicht mitgebracht? Was steht drin?«
    »Er ist viel kürzer als der, den ich dir gezeigt habe. Und offenbar früheren Datums – ziemlich bald nach dem rätselhaften Ereignis, würde ich meinen. Er klingt ganz schön wirr«, erklärte er.
    »Und, wo ist er?«, fragte Leah, stippte den kleinen Finger in die heiße Schokoladensoße und steckte ihn sich in den Mund. So etwas Kindisches tat sie nur bei Ryan. Es war so heimtückisch einfach, wieder in alte Gewohnheiten zu ver fallen.
    »In meinem Zimmer«, sagte Ryan leise.
    Pfarrhaus
    Cold Ash Holt
    Sehr geehrter Herr,
    das Kind muss nun jeden Tag kommen, und ich vergehe vor Angst. Wie kann ich das tun? Sie wissen, wovon ich spreche – da bin ich mir sicher. Ich könnte ebenso gut allein in diesem Haus sein, nur von Geistern umgeben. Erkennen Sie, was Sie getan haben? Halb wünschte ich, ich wäre Ihnen nie begegnet. Mehr als nur halb, und die meiste Zeit. Jetzt versuche ich, Sie mir vorzustellen, mir auszumalen, wie Sie wohl ohne Ihre gewohnte Kleidung aussehen, ohne Ihre Bücher und Ihr Lächeln – all die kleinen symbolischen Objekte, aus denen Sie sich erschufen – und ohne Ihre »göttliche Wahrheit«. Was ist daraus geworden? Alles zurückgelassen, so wie mich?
    Alles ist verdorben. Ich habe nicht einmal mehr Freude am Unterrichten, an den Kindern, denn während ich vor ihnen stehe, weiß ich, was unter dem Boden zu meinen Füßen liegt. Ich habe Ihnen schon gesagt, was ich getan habe, nicht wahr? Ich kann mich kaum erinnern. Ich dachte, das wäre nur vorübergehend, eine Stelle, an der niemand nachsehen würde. Auf der Suche nach dem, was ich bereits gefunden und an jenem Morgen vom Boden der Bibliothek aufgehoben habe. Ich hatte vor, alles zu vernichten, verstehen Sie? Restlos alles, doch dann dachte ich, Sie würden es vielleicht eines Tages brauchen, um Beweise vorzulegen oder etwas zu Ihrer Entlastung vorbringen zu können. Da bleibt es also, unter den Dielen. Bei der bloßen Vorstellung erhebt sich ein Sturm des Grauens in meinem Herzen, der mich vor Schwäche zittern lässt, und daran, es anderswo zu verbergen oder auch nur zu berühren, ist gar nicht zu denken.
    Ich glaube, dieses Kind wird ein Junge, ein kräftiger Junge. Ich bin kaum mehr zu erkennen, so unförmig. Dieses Geschöpf hat von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen. Inzwischen ist er schon zu groß, um sich zu bewegen und mich zu treten, wie er es in den vergangenen Monaten stets getan hat. Er ist fest zusammengepresst wie die Luft in einem Ballon. Wie sehr ich mir wünsche, er würde einfach bleiben, wo er ist! Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nehmen soll, ihn reinen Herzens großzuziehen, fröhlich und unbekümmert, während ich von solchen Schatten erdrückt werde. Genug für heute. Ich bin müde. Es erschöpft mich schon, nur einen Brief zu schreiben – und ganz besonders einen Brief an Sie, da ich inzwischen zu wissen glaube, dass ich keine Antwort erhalten werde. Dennoch hoffe ich darauf, und das erschöpft mich sogar noch mehr.
    Möge dieser Brief Ihnen, der sich in einer so grausamen Lage befindet, ein wenig Trost bringen.
    H. Canning
    Auch diesen Brief las Leah rasch durch, dann noch einmal. Sie las ihn ein drittes Mal, aber nur, weil sie nicht wagte aufzublicken, Ryan anzusehen und mit ihm zu sprechen. Wie kam sie nur immer wieder an diesen Punkt? Sie fluchte innerlich. Da war es wieder, dieses Gefühl, als werde ihr Knochenmark heiß und dünnflüssig, als sei ihre Entschlossenheit eine körperliche Substanz, die

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