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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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direkt in ihre schwarzen mandelförmigen Augen und erschrak darüber, wie viel Schmerz daraus sprach. Er spürte die Dämonen, die ihr im Nacken saßen, sah die Anspannung in ihrer sehnigen Halsmuskulatur. Fühlte, wie dringend sie Ruhe und Frieden brauchte. Ohne ein Wortzu sagen, kamen sie einander nahe. Sie lagen mitten im Unwetter auf dem Boden des Pavillons, rochen Nadelholz und den Duft ihrer Haut und liebten sich. Robbie hatte Sex immer mit allen Sinnen genossen, sich ganz hingegeben. Er hatte sogar manches über tantrischen Sex gelernt, die hinduistische Praxis, in der Mann und Frau sich lustvoll vereinigten, ohne zum Orgasmus zu kommen. Doch bis zu diesem Tag hatte er eine solche Vereinigung noch nicht selbst erlebt.
     
    Robbie stand auf und trat an den Rand des Brunnens. Er schaltete seine Stirnlampe an, ließ sie jedoch am Boden liegen. Er wollte ihren Schmerz nicht noch einmal sehen.
    »Ich habe nach dir gesucht«, flüsterte er in den Abgrund hinein.
    Er hörte Ani seufzen.
    »Was war los? Warum hast du dich nicht gemeldet?«
    »Wegen meiner Ausbildung.«
    »Aber nicht zur Nonne, oder?«
    »Nein.«
    »Wozu dann?«, fragte Robbie.
    Es kam keine Antwort.
    »Ani?«
    Stille.
    »Wer war der Mann, der in meiner Werkstatt gestorben ist?«
    »Mein Mentor. So etwas wie ein Vater für mich.«
    »Er wollte mich töten«, sagte Robbie. »Wusstest du das?«
    Wieder herrschte Stille. Von irgendwoher war noch immer das stete Tropfen des Wassers zu hören. Und ein weit entferntes Krachen. Ein geborstener Knochen vielleicht? Ein heruntergefallener Stein?
    Robbie trat noch näher an die Kante heran und sah hinab. Er konnte in der Dunkelheit gerade eben zwei Gestalten ausmachen,von denen eine zu ihm hochsah. Es war nicht genau zu erkennen, doch er vermutete, dass es Ani war, die dort im Schatten ihren Blick auf ihn richtete.

Zweiundfünfzig
     
     
    SAMSTAG, 28. MAI, 9:40 UHR
     
    Xie schnappte hier und da die unter den Regenschirmen hervordringenden Gesprächsfetzen auf. Englisch, deutsch und spanisch. Kunstliebhaber und Touristen, die im Regen darauf warteten, dass die Orangerie ihre Tore öffnete. Die meisten, vermutete Xie, waren hier, um sich Monets
Nymphéas
anzusehen, die Seerosengemälde, die er gegen Ende seines Lebens geschaffen hatte und von denen acht hier zu sehen waren. Die Kalligraphieausstellung würden diese Menschen nur zu Gesicht bekommen, wenn sie sich zufällig ins Untergeschoss verirrten.
    Gestern Abend waren die Monet-Ausstellungsräume geschlossen gewesen und das Museum nur von den Besuchern des Empfangs bevölkert. Lan hatte gesagt, es sei der größte Tag ihres Lebens – der Tag, an dem ihre Bilder in Paris ausgestellt wurden. In der Orangerie, wenige Meter entfernt von den größten Meisterwerken des Impressionismus.
    Xie hatte ihr zugestimmt, obwohl sich ihm fast der Magen umdrehte und ihm der Angstschweiß den Nacken hinunterlief. Obwohl er die meiste Zeit fieberhaft versucht hatte, sich seine Umgebung einzuprägen. Für ihn war der Empfang die Generalprobe für den heutigen Tag gewesen. Er hatte sich die Kontrollposten gemerkt, die Ausgänge, die Fenster, die Lageder Toiletten, Türen, Fahrstühle und Treppen. Hatte beobachtet, wie sich die Besucherströme durch die Säle bewegten, alles in sich aufgesogen, als hinge sein Leben davon ab. Denn das tat es.
    Heute Morgen beim Frühstück hatte Professor Wu dann vorgeschlagen, die Orangerie ein zweites Mal zu besuchen. »Es kann sehr lehrreich sein, die Reaktion von Menschen auf eure Werke zu erleben, die nicht wissen, wer ihr seid«, hatte er gesagt. »Es wird euch neue Perspektiven eröffnen.«
    Nun warteten sie also gemeinsam mit den anderen Besuchern. Xie betrachtete die anderen Studenten. Lan. Ru Shan. Die Touristen. Keiner von ihnen ahnte, was heute hier geschehen würde. Hoffentlich jedenfalls.
    Bei der Einlasskontrolle zeigte Xie seine leeren Hände vor. Da er weder Rucksack noch Aktenkoffer bei sich trug, ließ man ihn einfach weitergehen. Es gab keine Metalldetektoren wie am Flughafen. Xie hätte ein Messer, eine Schusswaffe oder Plastiksprengstoff mitbringen können, ohne dass jemand es merkte. Also konnte auch Ru Shan bewaffnet sein.
    Xie wurde flau im Magen. Er war ein Künstler. Seine größten Heldentaten hatten bisher darin bestanden, winzige Botschaften in seinen Kunstwerken zu verbergen und mit Calis Hilfe verschlüsselte Nachrichten über das Internet zu verschicken. Konnte er das hier wirklich schaffen?
    »Ich habe noch keine

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