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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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die Kerze im Wohnzimmer geholt. Schon ziemlich abgebrannt, wie ich bemerkt habe.«
    »Hmmm. Ich habe dir ja erzählt, dass es ein Problem mit der Elektrizität gibt.«
    »Ja, nun, wie auch immer, ich ziehe mir etwas an, und plötzlich ist es, als sei auf einmal der Teufel los.«
    »Was meinst du damit?«
    »Da hat jemand an die Haustür gehämmert, Bridget. Ich bin fast aus der Haut gefahren. Ich wusste ja nicht, ob du sie abgeschlossen hast oder nicht, aber es hat geklungen, als wollten sie unbedingt hereinkommen.«
    Bridget spürt ein Prickeln hinter den Ohren. »Wer war das?«
    »Ich weiß es nicht. Du weißt, an wen ich als Erstes gedacht habe. Natürlich weißt du das.«
    Ja, selbstverständlich. Sie dachte, es sei Kieran. Wieder einmal. Dass er uns irgendwie ausfindig gemacht hat, obwohl wir uns so angestrengt haben. Und dass er das tun wollte, was er in den letzten fünf Jahren immer wieder gemacht hat. Sie sagt nichts. Ihr ist übel.
    »Ehrlich, ich wusste nicht, was ich tun soll.«
    »Nein … nein, das kann ich mir denken.«
    »Deshalb dachte ich: Okay. Ich kann ja hingehen und nachsehen. Deshalb bin ich rübergegangen. Ins Haus. Und da ist dieses Hämmern, als ob zwei Fäuste ständig gegen etwas donnern, und es dröhnt durchs ganze Haus, und ich fühle mich wie – Gott, was soll ich bloß tun? Dieses Haus steht derart in der Pampa. Wo soll man da hin? Ich meine …«
    Lass es. Lass es einfach. Ich möchte nicht daran denken.
    »Ich bin in dieses Schlafzimmer mit dem Himmelbett gegangen. Ich habe mich zu Tode erschreckt, als ich sah, dass alle Vorhänge nach innen gezogen waren, und ich hatte die Kerze nicht mitgenommen, weil ich nicht wollte, dass derjenige weiß, dass jemand im Haus ist. Und ich habe mich hineingeschlichen und eine Ecke des Vorhangs zurückgezogen, und … da gibt es keine andere Tür, oder? Eine, die ich übersehen habe?«
    Bridget schüttelt den Kopf. »Nein, nicht auf dieser Seite des Hauses, nein. Das ist die Einzige.«
    »Tja, Bridget, irgendwas an diesem Haus ist sehr merkwürdig. Denn ich schwöre dir, ich habe sie klopfen und klopfen, mit den Fäusten auf irgendetwas einschlagen hören, aber als ich hinausgeschaut habe, war niemand da.«
    Aber was ist mit uns? Was ist mit uns?
    Ihre Hand zittert, als sie den Brief auf den Schreibtisch zurücklegt und aus dem Fenster in den Garten blickt, über den sich die Dämmerung senkt. Die Rabatten am Weg sind aus der Form, vertrocknet, struppig. Ich bin dreiundvierzig, und ich habe nie versucht, etwas anderes zu sein als eine gute Ehefrau, und jetzt … und jetzt …
    … werde nicht nach Cornwall zurückkehren, wenn ich aus dem Dienst entlassen werde … Felicity, in Wahrheit war ich schon lange nicht mehr glücklich, und dieser Krieg, dieser Tod und die Zerstörung rings um mich herum haben mir die Augen geöffnet und mich erkennen lassen, dass das Leben zu verletzlich, zu kostbar ist …
    Was ist mit uns? Was ist mit unseren Kindern? Was erwartest du von mir? Du brichst mir das Herz, zerstörst unsere Familie, und du willst, dass ich diejenige bin, die es ihnen beibringt? Bist du nicht Manns genug, für deine Taten gerade-zustehen?
    Ich werde nicht weinen. Nein, das werde ich nicht. Er wird mich nicht kleinkriegen. Es ist noch nicht vorbei.
    Ein Anflug von Traurigkeit durchflutet sie. Mein Mann. So sollte mein Leben eigentlich nicht verlaufen.
    Sie kneift die Augen zusammen, und ihr Gesicht versteinert. Als sie die Augen wieder aufschlägt, liegt der Brief noch immer da. Zieht ihren Blick, ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie nimmt ihn wieder zur Hand, überfliegt ihn noch einmal, um zu sehen, ob ein Hoffnungsschimmer bleibt. Sie überfliegt ihn, wie Krebspatienten ihre Krankenakten überfliegen, um ein Zeichen dafür zu finden, dass eine Verwechslung vorliegt.
    Wir lieben einander nicht. Ich frage mich, ob wir uns je geliebt haben. Unser gemeinsames Leben war reine Schau, es ging doch immer nur darum, den Schein zu wahren … Die Zeit fern von Rospetroc hat mir die Möglichkeit geboten, nachzudenken und mein Leben so zu sehen, wie es wirklich ist, nicht durch die Linse des ehelichen Anstands betrachtet …
    Was meint er damit? Was meint er bloß?
    Du bist eine gute Ehefrau, Felicity, und du hast etwas Besseres verdient, aber …
    Sie hat einen schlechten Geschmack im Mund. Blut, vermischt mit Zitronensaft. Sie schluckt. Ich bin eine gute Ehefrau. Eine gute Ehefrau. Aber ist es nicht genug, gut zu sein? Gut zu sein, ist scheinbar eine

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