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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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wird sie zerknittert tragen, dann wird keiner denken, sie hätte sie sich extra gekauft.
    Draußen ist es richtig kalt geworden. Die Hecken sind bereits mit Raureif überzogen, und die Bäume wirken wie Marmorstatuen, als sie zum Dorf hinunterfährt. Das Pub sieht gemütlich und einladend aus, orangefarbenes Licht fällt durch die winzigen Fenster. Sie kuschelt sich tiefer in ihren alten Ledermantel, hastet in ihren flachen Wildlederstiefeln über den Parkplatz. Der linke hat ein Loch in der Sohle; beim Gehen spürt sie den gefrorenen Asphalt.
    Sie sitzen in der Ecke, eng nebeneinander auf Hockern um einen winzigen Tisch mit Kupferoberfläche. Sie hatte mit einem dieser amerikanischen Werwolfmomente gerechnet, als der berauschende Mief von Bier, Zigarettenrauch und Shepherd’s Pie sie umfing (komisch, denkt sie, dass Yasmin diesen speziellen Geruch nie kennenlernen wird), aber zu ihrem Erstaunen setzt die Unterhaltung bei ihrem Eintreten kaum aus. Im Gegenteil, ein paar Leute begrüßen sie sogar, als wäre sie hier seit Jahren Stammgast.
    Mark hat sich einen dunkelgrünen Pullover und darunter ein weißes T-Shirt angezogen. Tina trägt einen knöchellangen Zigeunerrock: mindestens zwei Jahre alt, aber gut gegen die Kälte. Ein Paar sitzt bei ihnen, das sie vage von der Schule wiedererkennt. Alle lächeln, als sie sie sehen, und vergrößern ihren Kreis, und der Mann, dessen Namen sie nicht weiß, zieht einen Hocker, den sie für sie reserviert haben, heran und deutet darauf. Mark springt auf. »Was kann ich dir holen?«
    »Ach – mach dir keine Umstände. Ich …«
    »Ich gehe sowieso«, sagt er, »und hole eine Runde. Was hättest du gern?«
    Sie weiß es nicht. Sie ist dermaßen aus der Übung, dass sie vergessen hat, was Frauen in Pubs gewöhnlich trinken. In London war sie immer in Weinbars: Unmengen von Chardonnay, der zu stark nach Eiche schmeckte und am nächsten Morgen Verdauungsprobleme verursachte. Aber in London gab es Taxen, und nach den Gerüchen zu urteilen, die aus dem Raum jenseits der Bar dringen, schließt sie, dass in dieser Ecke Cornwalls die Qualitätsrevolution der Pubs noch nicht Einzug gehalten hat.
    »Nur ein Ginger Ale, bitte.« Sie zeigt ihnen ihren Autoschlüssel. »Ich muss noch fahren.«
    »Ach, komm schon«, sagt Tina. »du brauchst bloß eine halbe Meile auf einer leeren Straße zu fahren. Du kannst dir schon einen Drink gönnen.«
    »Ich …« Wo kommt bloß diese Zögerlichkeit her? Ich klinge wie eine jener alten Jungfern, die man in Filmen aus den 1940er Jahren sieht und die sich ständig für ihr Dasein entschuldigen. »In Ordnung. Ich nehme eine Halbe.«
    »Eine Halbe wovon?«
    »Keine Ahnung …«
    »Das Bitter ist gut.«
    Sie nickt. »Okay, Bitter.« Dann entsinnt sie sich ihrer Manieren und fügt ein Dankeschön hinzu.
    »Es ist kalt, nicht wahr?«, sagt die Frau.
    Bridget nimmt Platz und fängt an, sich den Schal vom Hals zu wickeln. »Ja.«
    »Wie ist es denn auf Rospetroc bei diesem Wetter?«
    »Ach, in der Wohnung ist es gut. Nett und gemütlich. Und auch im Rest des Hauses hat er eine gute Heizung installiert, allerdings schalte ich sie, wenn keine Gäste da sind, nur so ein, dass die Wasserrohre nicht gefrieren.«
    »Haben Sie im Moment viele?«
    »Seit dem Weihnachtsansturm nicht mehr. In ein paar Wochen kommt ein Paar für die Flitterwochen, falls Mark bis dahin fertig ist.«
    »Ach, das wird er bestimmt«, sagt Tina. »Er repariert es ja nur provisorisch. Allerdings wird die ganze Elektrik, so wie ich es verstehe, irgendwann mal komplett erneuert werden müssen.«
    »Zweifellos«, antwortet sie. »Solange er es hinkriegt, dass es bis zum Frühjahr funktioniert, bin ich ihm ewig dankbar.«
    »Carla ist ganz fasziniert von dem Haus«, stellt die Frau fest.
    »Ach ja«, erwidert Bridget. »Sie sind also Carlas Mutter? Tut mir leid. Ich kann mir schrecklich schlecht merken, wer wer ist.«
    »Ja«, antwortet sie und streckt ihr die Hand entgegen. »Penelope Tremayne. Penny. Und das ist Tony.«
    »Hallo.« Sie schüttelt ihm die Hand.
    »Hallo.«
    »Tonys Mutter hat früher dort gearbeitet«, erzählt Tina.
    »Hat dort sauber gemacht.«
    »Ach, wirklich?«
    Tony nickt. »War eine verrückte alte Kuh, die Mrs Blakemore. Völlig durchgeknallt war die. Mum hat es nicht lange dort ausgehalten, aber das hat ja keiner. Sie kam mit dem alten Mädchen nicht zurecht. Paranoid reicht als Beschreibung gar nicht aus.«
    »Hmmm. Daraus schließe ich, dass sie nicht gerade die beste

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