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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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Bestimmt. Es wird alles gut, du wirst schon sehen.«
    »Wie soll denn alles gut werden? Wie nur?«
    »Ich weiß nicht«, sagt Carol. »Wir werden …«
    Sie hält inne, weil ihr nichts einfällt. Weil sie, um ehrlich zu sein, nicht über diesen Vormittag hinaussehen kann. Vor der Dämmerung ist es immer am dunkelsten, ruft sie sich ins Gedächtnis. Immer, wenn man im Begriff ist, die Hoffnung aufzugeben, dann tut sich etwas Neues auf.
    »Ich habe es satt«, sagt Bridget. »Habe das alles satt. Satt zu kämpfen, satt, so zu tun, als sei ich tapfer, satt, Yasmin zu sagen, dass alles gut wird. Satt, die Straße entlangzugehen und mich ständig umzuschauen, ob er vielleicht aus dem Nichts auftaucht. Satt, mich zwischen Schuhen für meine Tochter und Lebensmitteln für mich entscheiden zu müssen. Satt, darauf zu warten, dass man mir meine Wohnung wegnimmt. Carol, ich schaffe das einfach nicht mehr.«
    »Ach, sag das nicht. Sag das nicht, Liebes.«
    »Vielleicht sollte ich einfach …«
    Carol wartet. Bridget spricht nicht weiter.
    »Liebes«, sagt sie schließlich. »Du weißt, dass du weitermachen musst. Das müssen wir doch alle, oder? Welche Alternative bleibt uns denn?«
    Wieder läuft Bridget eine Träne über die Wange. Sie hat den Eindruck, sich völlig ausgeweint zu haben, innerlich so salzig zu sein wie ein Räucherhering. Kann kaum glauben, dass sie noch Tränen übrig hat.
    »Man weiß nie«, stellt Carol fest. »Vielleicht ruft dieser Kerl ja an.«
    »O ja, bitte.«
    Sie zerknüllt den Brief, schleudert ihn gegen die Wand.
    »Als ob das je passieren würde«, sagt sie. »Mensch, was war das für eine Zeitverschwendung. Und Vergeudung von Benzin. Er wird nicht anrufen. Warum sollte er? Mein Pech hat nie ein Ende. Niemals. Das war immer so. Und wird ewig so weitergehen, mich auf der Spirale immer weiter abwärts führen. Du weißt das, Carol, und ich weiß es, und es hat keinen Zweck, so zu tun, als wäre es anders. Ich könnte genauso gut …«
    Im Schlafzimmer läutet das Handy in ihrer Tasche.

10
    Achthundert Pfund. Ich habe achthundert Pfund in der Tasche. Das ist mehr, als ich seit … seit wie lange nicht mehr hatte? Kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Mensch, ich habe so viel Geld früher bar in den New Covent Garden Market mitgenommen, damals in den alten Tagen. Vor Yasmins Geburt dachten wir, an einem gewöhnlichen Abend etwa einen Hunderter auszugeben, sei ganz normal, und jetzt kommt mir das wie ein Vermögen vor.
    Ja, denkt sie, aber es ist insgesamt betrachtet nicht viel, oder? Zweihundert stammen von Carol und zweihundertfünfzig sind die Fluchtreserve, für Notfälle vom Kindergeldzuschlag zusammengekratzt. Und fünfzig von meinem Verlobungsring.
    Sie blickt auf ihren jetzt nackten Ringfinger hinab. Der Verkauf des Rings war gleichermaßen ein Symbol für das Ende ihrer Beziehung wie eine finanzielle Notwendigkeit gewesen, und die Tatsache, dass sich die Diamanten als Zirkonia entpuppten, in ihrer Ironie fast unübertrefflich. Eigentlich hätte sie überrascht sein müssen, dass zumindest das Gold echt war. Nach all diesen Jahren hat sie endlich die letzten Spuren von Kieran getilgt und den endgültigen Beweis für sein falsches Spiel erhalten, für den Wert, den er ihr beimaß. Damals, als er ihr den Ring schenkte, oben auf dem Eiffelturm, an jenem Champagnerwochenende, Suite mit Whirlpool und all dem Luxus, da hat sie sich wie eine Prinzessin gefühlt. Jetzt schämt sie sich dafür, was dieses Hotelzimmer gekostet hat. Von der Summe, die sie für dieses Wochenende damals hinblätterten, könnte sie zwei Monate ihre Hypotheken bezahlen.
    Dreihundert Pfund: Alles, was sich nicht in dieser Schrottkiste befindet – Möbel, Küchengeräte, all der dekorative Schnickschnack, der im Laufe der Jahre Tausende verschlungen hat, als wir nichts sparten, als ich dachte, dass die Einkommen immer nur steigen könnten, wenn man in den Zwanzigern ist –, ist dreihundert Pfund wert, und das auch nur, weil der Mann von der Haushaltsauflösungsfirma wegen meines niedergeschlagenen Gesichtsausdrucks Mitleid bekommen hat, als er mir zweihundertfünfzig anbot. Mensch, der wollte den Fernseher nicht einmal nehmen. Behauptete, der sei so alt, dass ihn selbst ein Bettler stehen lassen würde.
    Yasmin bewegt sich auf der Rückbank. Ruhiggestellt mit Chips und heißer Schokolade, hat sie seit dem Rastplatz zwei Stunden geschlafen, unter der Bettwäsche und den Kissen fast vergraben. Wenn wir einen Unfall hätten, denkt

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