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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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Wasserhähnen ist schlimmer als die Aussicht, mit einem pelzigen Gefühl im Mund aufzuwachen. Sie streckt sich auf der Matratze aus – sie ist, wie sie feststellt, so gut wie neu und bequem. Ihre Matratze in Streatham war dermaßen hinüber – vom jahrelangen Gebrauch durchgelegen und verfleckt –, dass sie nicht einmal mehr versucht hatte, sie dem Trödler anzubieten. Hat sie einfach zurückgelassen, sodass sie jetzt das Problem der Wohnungsgesellschaft ist.
    Es wird alles gut werden, redet sie sich immer wieder ein. Wenn du erst einmal gut geschlafen hast, sieht bestimmt alles besser aus. Sie knipst das Licht aus.
    Dunkelheit. Echte, tiefe, samtige Dunkelheit von einer Art, wie sie sie noch nie erlebt hat. Die Schlafzimmervorhänge sind dünn, aber nichts – nicht einmal das geringste Zeichen, dass jenseits des Hügels ein Dorf liegt – dringt in den Raum. Da ist jemand, denkt sie. Im Haus, da ist jemand, ich spüre es. Da versteckt sich jemand, ich kann es nur hören, wenn die Lichter aus sind.
    Kieran hat das immer gemacht: sich im Dunkeln versteckt. Das hat er immer getan, als sie zusammen wohnten, er hat ihr unter der Treppe im Flur aufgelauert, ist in der Nacht aufgestanden und ihr leise gefolgt, wenn sie auf die Toilette musste oder sich ein Glas Wasser holte, sprang hervor und packte sie von hinten, die Hand über ihren Mund gelegt, um den Aufschrei zu dämpfen. Er fand das lustig, jedenfalls am Anfang. Im Nachhinein betrachtet ist es eine eindrucksvolle Vorgehensweise, oder etwa nicht? Ihr die Möglichkeit zu geben, sich in den Hintern zu beißen, weil sie nicht bemerkt hat, dass seine »Späße« frühe Anzeichen dafür waren, was für ein brutaler Kerl er in Wirklichkeit war. Er war schon immer der Meinung gewesen, vieles von dem, was er tat, sei lustig. Das war seine Entschuldigung: Du hast einfach keinen Humor. Ich kann schließlich nichts dafür, wenn du keinen Spaß verstehst. Himmelherrgott, du bringst mich auf die Palme. Wie kann ich mit jemandem zusammenleben, der keinen Humor hat? Das ist das Problem mit solchen Schlägertypen. Würden sie es von Anfang an tun, dann würde wohl kaum eine Frau zulassen, dass sie bleiben. Aber es ist der schleichende Beginn, es sind die Steigerungen, die so heimtückisch sind, dass du sie nicht bemerkst, die dir zusetzen und dich in die Falle gehen lassen. Weil er mich danach, wenn ich vor Schreck zitterte, in die Arme nahm: Er hat mich getröstet und beruhigt und zugleich ausgelacht, was ich doch für ein Baby bin.
    Und er hat sich nie entschuldigt.
    Was ist, wenn er es ist? Was ist, wenn er hier ist?
    Ein Windstoß, ein Klappern, und sie sitzt aufrecht im Bett, Licht an, Herzklopfen.
    Sei nicht albern. Sei nicht albern. Er kann nicht hier sein. Er weiß nicht, wo du bist.
    Was war das?
    Der Wind. Es ist der Wind. Hör auf damit.
    Ein so großes Haus. Dieser lange, lange Korridor, der sich von Zimmer zu Zimmer schlängelt. Der finstere Dachboden. Hier könnte alles Mögliche passieren, ohne dass ich es bemerke. Hier könnten längst alle möglichen Leute eingedrungen sein, ohne dass ich es mitbekomme.
    Du hast die Türen abgeschlossen, Bridget. Die Türen nach draußen, die Türen zwischen Haupthaus und deiner Wohnung. Das sind starke, stabile Türen, und du hättest es gehört, wenn jemand versucht hätte hereinzukommen. Also, hör auf. Hör auf.
    Ob ich mich wohl je daran gewöhne?
    Wieder klappert es, draußen im Hof. Sie zuckt zusammen, der Schreck fährt ihr in die Glieder. Lauscht angestrengt. Wenn ich das Licht ausmache, sehe ich vielleicht, was da draußen ist.
    Und wenn ich das Licht ausmache, dann bin ich im Dunkeln.
    Bleib einfach im Bett. Bleib hier, wo es warm ist, morgen wird es bestimmt ganz anders sein. Du wirst schon sehen. Bei Tageslicht. Alles wird gut.

12
    »Sie sind da.«
    Tessa lässt ihre Ausgabe von We Met Our Cousins fallen und trottet zum Fenster hinüber. Steigt auf den Fenstersitz und stützt die Ellenbogen neben denen ihres Bruders auf die Fensterbank.
    Hugh riecht heute wieder nach Roastbeef, denkt sie. Seltsam, wie Jungs immer riechen – nach Fleisch. Als hätten sie in Bratenfett gebadet.
    »Ach, grauenvoll«, sagt sie. »Evakuierte.«
    »Puuh«, pflichtet er ihr bei. »Wenn die glauben, dass sie hier hereinkommen, dann haben sie sich aber geschnitten.«
    »Vielleicht«, sagt Tessa, »sind sie ja gar nicht so schlimm.«
    »Nicht so schlimm? Die kommen aus London!«
    »Ach ja«, antwortet Tessa.
    Im Sommer wimmelt es in

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