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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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und ihre Blicke trafen sich. Offen, klar, voll schlichter Bewunderung. Er hielt ihrem Blick gerade diesen Bruchteil einer Sekunde zu lange stand. Ihr Herz machte einen Sprung – sie spürte es. Er ist schön. Der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Diese glatte Haut, die Art und Weise, wie sich seine Nasenflügel leicht aufblähen. Es ist, als wäre er aus Marmor gehauen …
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Es war, als wäre die Welt um sie verschwunden. Die Geräusche im Laden – ihre Assistentin Gemma, die im hinteren Raum gerade Oasis aufgelegt hatte, das Rauschen des Verkehrs hinunter zur Ampel an der Latchmere Road – wichen in den Hintergrund, und sie konnte nichts anderes mehr hören als das Pochen ihres Bluts in den Ohren.
    Er lächelte.
    »Ich bin gerade vorbeigefahren«, sagte er, »und habe Sie gesehen.«
    Nicht mich, dachte sie. Mein Geschäft. Das ist nur eine Redensart.
    »Hmmm«, machte sie.
    »Ich hätte gern«, sagte er, »ein Dutzend rote Rosen, wenn Sie welche haben.«
    »Selbstverständlich«, antwortete sie, und ihr Herz raste. Keiner kauft für sich selbst rote Rosen. Das gibt es nicht. Sie kaufen Gerberas und Pfingstrosen und Lilien und Inkalilien. Keine Rosen. Jeder weiß ja, dass Rosen für die Liebe stehen.
    So etwas passiert keinem Menschen wie mir. Wer bin ich denn? Mach dir nichts vor, Mädchen. Du gehörst nicht zu denen, die die Schönen abkriegen. Die Rosen kauft er für irgendeine gepflegte Blondine oben am Prince of Wales Drive. Kauft sie für eine, die zu ihm passt und neben ihm gut aussieht, wenn er mit offenem Verdeck herumkutschiert.
    Ach, könnte nur ich diejenige sein. Nur ein Mal möchte ich diejenige sein. Mit einem solchen Mann. Wenn ein solcher Mann mich haben wollte, wäre ich für immer glücklich …
    Sie ging in den hinteren Raum, um den Eimer mit den Rosen zu holen. Schwarze Baccara, heute Morgen von Jersey geliefert: so dunkelrot, dass sie fast schwarz gefärbt wirkten, üppige, samtige Blüten wie ein königliches Abendkleid. Gemma stand direkt an der Tür, die Augen vor Aufregung weit aufgerissen, und konnte sich ein Kichern kaum verkneifen. »Oh, mein Gott, oh, mein Gott!«, flüsterte sie. Bridget schaute sie mit einem Stirnrunzeln an. »Das ist, als käme Brad Pitt einfach von draußen hereinspaziert!«, fuhr Gemma fort. »Kann ich gehen und ihn bedienen?«
    »Nein, kannst du nicht«, zischte Bridget. »Du kannst hier hinten bleiben, bis du dich wieder beruhigt hast.«
    Und mit zittrigen Händen griff sie nach dem Eimer und kehrte zu dem Adonis zurück.
    »Wie wäre es mit diesen?«, fragte sie und versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, damit sie heiter und professionell klang. »Die dunkelste Rose der Welt«, fügte sie hinzu. »Erstklassig.«
    Er streckte die Hand aus und streichelte eine Blüte. Der Anblick seiner Finger jagte ihr unweigerlich einen Schauer über den Rücken. Kieran schaute auf, hielt ihrem Blick stand, und dann lächelte er wieder. Sah kurz triumphierend aus – hätte sie das damals nur bemerkt – und verbarg das dann hinter Komplizenschaft und Freundlichkeit.
    »Schön«, sagte er. Und sie wusste nicht, ob er die Blumen meinte oder sie.
    »Wie soll ich sie einpacken?«, fragte sie.
    Eine Pause. Wieder ein Blick. Er flirtet mit mir.
    Nein, das tut er nicht. Manche Männer flirten immer, die können gar nicht anders. Für sie ist das so natürlich wie das Atmen.
    »Wie würden Sie sie denn verpacken?«
    »Ach, ganz schlicht«, antwortete sie. »Einfach locker zusammengebunden, damit sie nicht auseinanderfallen, und dann würde ich sie in dieses schwarze Papier einschlagen.«
    »Wie es Ihnen am besten gefällt«, sagte Kieran. Schaute sich im Geschäft um, während sie sich daranmachte, aus den Rosen – lange, glatte Stängel mit gemeinen Dornen – einen atemberaubenden Strauß zu binden. Sie gestattete sich den Luxus, kurz einem Tagtraum nachzuhängen. Schob ihn rasch wieder beiseite.
    »Wie kommt es, dass Sie mir nie zuvor aufgefallen sind?«, fragte er. »Sind Sie schon lange hier?«
    Bridget zuckte mit den Achseln. »Etwa drei Jahre.«
    »Läuft das Geschäft?«
    »Bestens«, antwortete sie; so, wie sie diese Frage immer beantwortete. Sie hatte ein ganz komisches Gefühl: Dass die Zeit plötzlich langsamer verstrich, dass alles in einem Drittel der normalen Geschwindigkeit ablief. »Möchten Sie eine Karte mitschicken?«, fragte sie.
    Er schüttelte die schöne Mähne. »Nur eine von Ihnen«, sagte er. »Mit Ihrer

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