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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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allein leben oder einen Makel beziehungsweise irgendeine Behinderung haben, sind noch da, oder sie haben ihre Hosenbeine in grüne Gummistiefel gesteckt, was ein sicheres Zeichen dafür ist, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Da ist noch ein normal aussehender Mann Mitte dreißig, aber er liegt auf dem Boden und kämpft mit einem etwa sechs Jahre alten Jungen um ein Plastikpony. Offensichtlich ein brutaler Kerl, in jedem Fall ein komischer Kauz. Schade eigentlich, denn ansonsten sieht er wirklich gut aus. Gut gebaut, breite Schultern, schmale Hüften, ein wohlgeformter Schädel unter einem sehr schlechten Haarschnitt, Lachfältchen um die Augen. Ich wette, drunten im Pub ist er der absolute Hit, denkt sie verbittert. Ein ländlicher Schürzenjäger, wie er im Buche steht.
    »Erlauben Sie, dass Ihre Tochter mit meiner spielt?«
    Sie reißt sich aus ihren Gedanken. Eine Frau Ende zwanzig hat sie angesprochen. Hellbraune Haare mit ungeschickt selbst gemachten Strähnchen, eine bunte Patchworkjacke, Jeans und ein freundliches Lächeln.
    »Ich weiß nicht. Ist die mit der Latzhose Ihre?«
    »Genau. Chloe.«
    »So. Ja, also meine heißt Yasmin.«
    »Na, das sind ja mal hochtrabende Namen«, stellt die Frau fest. Streckt die Hand aus. »Tina.«
    »Bridget.«
    »Aber noch nicht so schlimm wie bei meinem Neffen Jago«, sagt Tina.
    »Na, das ist mal ein Name.«
    »Natürlich kornisch für Iago. Wie im Othello. Ein Überbleibsel der Spanier, die unsere Felsen nach der Niederlage der Armada besiedelt haben. Nicht etwa, dass sie das in den Lasterhöhlen, in denen er wohl am Ende verkehrt, wissen werden. Jago Carlyon. Klingt wie eine Figur in einem albernen Heftchenroman. Ich höre, Sie haben Rospetroc übernommen?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Großartig«, sagt sie. »Da oben ist es großartig. Was für ein wunderbarer Ort zum Aufwachsen.«
    »Sie sind der erste Mensch, der etwas Positives darüber sagt.« Bridget lächelt sie an, von ihrer Begeisterung angenehm überrascht.
    »Ach, Sie dürfen einfach nicht auf diese alten Schachteln hören«, sagt Tina. »Die denken, wenn sie sich auf den alten Aberglauben einlassen, gehören sie sozusagen mehr zu den Einheimischen. Bei denen geht es doch nur um Zeichen und Omen.«
    »Sieht ganz danach aus.«
    »Und, wie haben Sie sich eingelebt? Yasmin wird doch hier
    zur Schule gehen, oder?«
    »Hmmm.«
    »Gut. Es sieht so aus, als kämen sie und Chloe bestens miteinander zurecht.«
    »Ja«, pflichtet ihr Bridget bei. »Das freut mich. Ich hatte mir ein wenig Sorgen gemacht, dass sie als eines dieser merkwürdigen Kinder enden könnte, die nie Freunde finden.«
    »Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, antwortet Tina. »Es ist viel schwieriger zu erreichen, dass sich die Leute aus Ihren Angelegenheiten heraushalten als umgekehrt. So ist es jedenfalls auf dem Land. Jago!«
    Das letzte Wort wird gebrüllt. Der kleine Junge blickt auf.
    »Gib das jetzt augenblicklich deiner Cousine zurück!«, schreit sie.
    Der Mann, der ebenfalls aufblickt, lässt das Plastikpony los, und der Junge trottet damit brav zu Chloe hinüber und drückt es ihr in die Hand. »Er hat ihn einfach nicht unter Kontrolle«, stellt Tina fest. »Er sieht ihn nicht häufig genug, das ist das Problem.«
    Er kommt auf sie zu. Grinst verlegen. »Seit fünf Minuten versuche ich, ihm das abzunehmen«, erklärt er.
    »Ich hab es dir schon oft gesagt. Es hat keinen Zweck, mit ihnen herumzustreiten. Das sind Kinder, keine Erwachsenen. Man muss sie wie Welpen behandeln. Gib ihnen klare Befehle, dann machen sie gewöhnlich, was du sagst.«
    »Wie auch immer«, antwortet er. Er schaut Bridget schüchtern, aber doch irgendwie neugierig an. Er hat ein nettes Gesicht, denkt sie. Eines dieser klaren Gesichter, wie man sie auf dem Land sieht. Überhaupt kein Schürzenjäger. Ich bin auf dem besten Wege, zynisch zu werden.
    »Hallo«, sagt er. »Ich bin Mark.«
    »Carlyon. Mein Bruder. Bridget«, sagt Tina. »Sie hat gerade Rospetroc übernommen.«
    »Ach, richtig. Hallo. Wie funktioniert der Strom?«
    »Mehr schlecht als recht«, antwortet Bridget ziemlich verblüfft.
    »Er wird es am Ende einsehen und das Geld hinblättern müssen«, sagt Mark. »Tom Gordhavo. Unheimlich knickerig, wenn es um dieses Haus geht. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Lassen Sie sich nicht abwimmeln. Ich bin mir sicher, dass Frances sich letzten Endes deshalb aus dem Staub gemacht hat. Konnte es nicht ertragen, dass die Lichter einfach ohne jede Vorwarnung

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