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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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heute Nacht irgendwie vom Schlafen abhalten würde. Die Küche bebt buchstäblich. Sie haben die Bässe an diesen verdammten Lautsprechern so aufgedreht, dass die Deckenlampe über ihrem Kopf hin und her schwingt. Alte Schlager. Lieder, die sie seit Jahren nicht mehr gehört hat. Lieder, von denen sie gehofft hatte, sie nie wieder zu hören. Eine Frauenstimme kreischt reichlich falsch: RAYd on tahm, ruh-ruhruh RAYd on tahm …
    Sie wirft einen Blick auf die Uhr am Herd. Fast Mitternacht. Machen die wenigstens beim Jahreswechsel Pause, um sich das Glockengeläut anzuhören?
    Gott, lieber nicht. Bei diesen Leuten führen die Neujahrs-küsse wahrscheinlich zu einer widerlichen Orgie. Gestern musste ich ein Kondom aus dem Papierkorb in der Bibliothek entsorgen. Ekelhaft. Bestien. Kaum haben sie ein bisschen Geld, entwickeln sie sich sie zu Monstern.
    Vielleicht könnte ich es doch mal mit diesem Baldriantee versuchen. Der wird vielleicht stark genug sein. Nein. Das wird er nicht. Ich schmore in der Hölle. Die werden die ganze Nacht so durchmachen. Du lieber Himmel. Sie hätten mich wenigstens vorwarnen können. Damit ich meine Tochter irgendwo anders hätte unterbringen können. Aber das machen die natürlich nicht, ist ja klar. Hätten sie mich vorgewarnt, dann hätte ich Tom Gordhavo veranlassen können, das zu unterbinden. Ist ja logisch.
    Irgendwo zersplittert Glas.
    Tja, ihre Kaution werden die in jedem Fall nicht zurückbekommen.
    Sie kehrt ins Schlafzimmer zurück.
    »Okay«, sagt Yasmin. »Das mache ich. Gute Nacht, Tante Carol. Schlaf gut. Und ein gutes neues Jahr.«
    Bridget nimmt das Telefon.
    »Na ja, sie klingt jedenfalls, als würde sie sich amüsieren«, stellt Carol fest.
    »Ich wünschte, das Gleiche könnte man auch von ihrer Mutter sagen. Kannst du dir vorstellen, was für ein Tag mich morgen erwartet?«
    Carol lacht. »Gutes neues Jahr«, sagt sie.
    »Und, was machst du so?«
    »Ach, nichts Besonderes«, antwortet Carol. »Ich sitze hier mit einer Flasche Muskateller, schmelze Kerzen und mache Wachsgießen. Versuche, mir ein bisschen Glück zu sichern.«
    »Das könnten wir auch gebrauchen.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Und, was wünschst du dir?«
    »Einen Job«, antwortet sie entschieden. »In diesem Jahr werde ich auf Teufel komm raus einen Job finden. Und ein neues Leben anfangen. Jetzt, wo ihr weg seid, unterhalte ich mich tagelang mit keiner Menschenseele. Ich schwöre, ich könnte verschwinden, und keiner würde es bemerken.«
    »Ich würde es bemerken, Carol«, sagt Bridget.
    »Erst nach einer Weile, wenn wir ehrlich sind.«
    Es entsteht eine kurze, verlegene Pause. Bridget ist jetzt, in ihrem neuen Leben, beschäftigt und nicht mehr so abhängig von Carol. Es würde tatsächlich eine Weile dauern, das stimmt. Sie hat sie genau genommen seit Weihnachten nicht mehr angerufen.
    »Jedenfalls«, fährt Carol fort, »brennen hier die Kerzen noch. Gibt es etwas, was ich für dich wünschen soll?«
    »Ja.«
    Sie duckt sich instinktiv, als draußen etwas auf den Gar-tenweg knallt.
    »Ja«, antwortet sie. »Belege diese verdammten Leute mit einem Fluch.«
    »Gesagt, getan«, erklärt Carol. »Ein gutes neues Jahr, Honey. Ich wünsche dir ein richtig gutes Jahr.«
    »Ich dir auch. Danke für deinen Anruf.«
    Carol legt auf. Bridget nimmt ihren Tee mit ans Bett. Kuschelt mit ihrer Tochter und streicht ihr über die lockigen Haare.
    »Die Leute sind komisch«, stellt Yasmin fest.
    »Das sind sie eindeutig, Baby«, sagt sie.
    »Warum macht man überhaupt solchen Krach?«
    »Weißt du, was ich glaube? Es geht wohl darum, das, was sie sagen, zu übertönen. Denn wenn jemand hören könnte, was sie sagen, würden die merken, dass sie absolut dumm sind.«
    Yasmin kichert. Du wirst bald nicht mehr kichern, denkt Bridget. Das erkenne ich an deinen Augen. In einer Stunde – weniger – wirst du die Wände hochgehen. Du wirst dir deine armen kleinen Augen ausweinen, weil sie dich einfach nicht schlafen lassen.
    Eine kurze Pause, dann setzt die Musik wieder ein. Verdammter Keith Flint. Wie gern würde ich ihm einen Firestarter geben, verdammt.
    Jemand dreht die Lautstärke noch weiter auf.
    Die Lichter gehen aus.

25
    »Es war urkomisch. Hätte keinen netteren Leuten passieren können.«
    »Und, was haben Sie gemacht?« Tina Teagle stellt ihren Becher auf den Küchentisch, lehnt sich zurück und schaut sie an.
    »Tja«, antwortet Bridget, »wir waren schon im Bett. Und unsere Lampen waren aus, weil wir eben

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