Das Haus der verlorenen Kinder
Geschichte kennen. »Sie sollten ihm das Sozialamt auf den Hals hetzen.«
Ja. Das wäre eine großartige Idee. Damit sie ihm ganz beiläufig auch meine Adresse geben. Nach meinen Erfahrungen mit dieser Behörde, als ich verzweifelt Hilfe gesucht habe, als ich Unterstützung für mein Kind brauchte, damit wir nicht aus der Wohnung geschmissen werden, zu der mein Mann meinte, immer noch das Zutrittsrecht zu haben, ja, nach meinen Erfahrungen besteht der beste Weg, um sicherzustellen, dass niemand je herausfindet, wo du dich aufhältst, darin, Kontakt zum Sozialamt aufzunehmen und denen alle deine Daten zu geben, in dreifacher Ausführung, schriftlich. Das würde absolut sicherstellen, dass niemand je wieder mit dir in Berührung kommt. Kieran hat von dem Tag an, als er gegangen ist, bis zu dem Tag, an dem sie und Yasmin fortgezogen sind, keinen Penny mehr bezahlt, und alles, was das Sozialamt ihr sagen konnte, war, dass sie ihre Akte verloren hätten und sich bei ihr melden würden.
»Bei ihrem Dad war es das Gleiche.« Tina deutet auf Chloe. »Ist vor drei Jahren nach St. Austell gegangen, um sich dort einen Job zu suchen, und seitdem haben wir ihn nicht wiedergesehen.«
»Du meine Güte.« Bridget ist schockiert. »Haben Sie ihn als vermisst gemeldet?«
»Natürlich nicht«, antwortet Tina. »Nur, weil wir ihn nicht gesehen haben, heißt es ja nicht, dass wir nicht wissen, wo er sich aufhält. Justine Strang hat ihn jedenfalls ein paar Monate später in Padstow gesehen, die Hände tief in der Bluse irgendeiner fetten Alten vergraben. Ein Gesicht wie eine gekochte Kartoffel und ein Arsch wie eine Autofähre, hat sie gesagt. Ich wünsche ihr viel Glück, kann ich da nur sagen. Er war sowieso nie zu irgendetwas zu gebrauchen. Wahrscheinlich hat er inzwischen eine andere geschwängert und ist nach Newquay weitergezogen.«
Bridget wirft ihr einen fragenden Blick zu. Tina hat diesen aufmüpfigen Ausdruck im Gesicht: Diese Mir-geht-es-gut-Miene, obwohl es wahrscheinlich gar nicht stimmt, aber es muss nun einmal das Beste aus der Situation gemacht werden. Ein bisschen wie bei mir, denkt sie. Ein bisschen wie bei den meisten, denke ich mir manchmal.
»Tut mir leid«, sagt sie zu ihr.
»Ist doch nicht Ihre Schuld. Zum Glück lief wenigstens der Mietvertrag auf meinen Namen, sodass wir nicht auch noch obdachlos geworden sind. Und als sich Marks Freundin ebenfalls aus dem Staub gemacht hat, ist er hier eingezogen, und so konnten wir zumindest unsere Finanzen zusammenlegen. Es ist nicht ideal, aber besser als nichts, oder?«
Sie trinken. Hängen ihren Gedanken nach.
»Ich glaube nicht, dass das genau das ist, was wir beide uns vorgestellt haben«, fährt Tina fort. »Dass ich mit siebenundzwanzig noch immer mit meinem Bruder zusammenlebe. Zumindest konnte ich ihn davor bewahren, wieder bei Mum und Dad einzuziehen.«
»Wo sind sie heute?«
»Im Kino. In Bodmin. Haben gesagt, sie räumen das Feld, damit wir uns einen richtigen Frauennachmittag machen können.«
Sie spürt einen leichten Anflug von Enttäuschung. Ihr wird klar, dass ein winziger Teil von ihr gehofft hatte, er würde auftauchen. So winzig, dass sie es kaum registriert hatte. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen könnte, wäre ein Mann. Nicht nach den Erfahrungen mit Kieran. Was sie zu allererst braucht, ist ein neues Leben. Und sie muss irgendwie begreifen, wie sie das letzte Mal nur eine so schlechte Wahl hat treffen können.
»Was schauen sie sich an?«
»James and the Giant Peach.«
»Da geht es um einen Jungen«, ruft Yasmin, »und einen Riesenpfirsich.«
»Mmm«, macht Bridget. Was du nicht sagst.
»Können wir uns den Film auch anschauen?«
»Mal sehen«, antwortet sie. Gott, was habe ich es satt, immer »mal sehen« zu sagen. Wenn sich herausstellen sollte, dass diese Gäste ein gutes Trinkgeld geben, dann gehe ich mit ihr ins Kino. Mit allen hier. Wir gönnen uns eine Belohnung. Und wenn jemand ein gutes Trinkgeld verdient hat, dann bin ich das nach dieser Woche.
»Und, wie ist es so da oben in Rospetroc?«, wechselt Tina das Thema. »Wenn Sie sich nicht gerade mit einer Horde von Yuppie-Swingern herumschlagen müssen?«
»Ja. Ja, es geht so.«
»Dann ist es für Sie nicht zu abgelegen? Ich würde nicht gern so weit vom Dorf weg wohnen.«
»Gott, so weit ist es nun auch wieder nicht. Alle tun so, als läge es am Nordpol oder so.«
»Ja«, sagt Tina. »Irgendwie denken alle, es sei weiter weg, als es tatsächlich ist, vermute ich.
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