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Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Stammgast.«
    »Fast jeden Tag war er hier, außer Montag, da haben wir zu.«
    »Wann kam er am Abend hierher?«
    Der Wirt schaute auf die Uhr, die über der Tür hing. »Kurz vor acht, wie immer.«
    »Wie war er, verhielt er sich auffällig?«
    Der Wirt schüttelte vehement den Kopf. »Wie immer. Im Gegenteil, er hat sich sogar gefreut.« Franksen, der Wirt, erhob sich, schnappte sich das leere Schnapsglas und hinkte zum Tresen. »Auch einen?«, fragte er, als er sich erneut einen Klaren eingoss.
    Trevisan schüttelte den Kopf.
    »Dienstag wäre er nach Thailand geflogen. Er hatte schon das Flugticket gekauft. Das macht Uwe nämlich jedes Jahr. Sonst gönnt er sich ja nicht viel. Abends ein paar Bierchen und Korn und am Wochenende geht er nach Bremen zum Fußball. Angehörige hat er ja auch nicht mehr, seit seine Mutter tot ist. Uwe war immer für sich. Das reichte ihm. Er brauchte niemanden. Abends ist er hierher gekommen und wir haben ein bisschen geredet. Das war alles.«
    »Er arbeitete im Ölhafen?«
    »Er hat hart gearbeitet, sogar am Samstag. Manchmal zehn Stunden. Der Klosterkrug und einmal im Jahr drei Wochen Thailand, das war sein ganzes Vergnügen. Und jetzt ist er tot. Wer macht so etwas?«
    »Das wollen wir herausfinden«, antwortete Trevisan. »Wie hat er gelebt, gab es Frauen oder Freunde, mit denen er etwas unternommen hat?«
    Der Wirt betrachtete nachdenklich das Schnapsglas. »Ich kannte ihn schon, da war Uwe noch ein kleiner Junge. Sein Vater hat sich davongemacht, als er zehn war. Die Mutter hat sich dann an Uwe gehängt. Er war ihr Ein und Alles. Sie haben zusammengewohnt. Da war kein Platz für eine weitere Frau. Und Uwe war schon immer ein bisschen moppelig, ich glaube, er hatte eigentlich nie eine richtige Freundin.«
    »Und Freunde?«
    Der Wirt schlug sich auf seine Brust. »Ich war sein Freund«, antwortete er. »Früher gab’s mal einen Nachbarsjungen, aber der ist weggezogen, als er sechzehn war. Ansonsten war Uwe immer ein Einzelgänger. Wobei ich glaube, dass er ganz ordentlich Geld hatte. Er hat ja nie was ausgegeben und gut verdient hat er allemal.«
    In Trevisan keimte eine Hoffnung auf. »Wissen Sie noch, wie sein damaliger Freund hieß?«
    Der Wirt überlegte. »Die Familie hieß Hansen. Der Mann arbeitete bei der Marine in Wilhelmshaven. Aber auf den Namen des Jungen komme ich nicht mehr. Jürgen oder so ähnlich, meine ich.«
    Trevisan hatte gehofft, der Wirt würde vielleicht »Kropp« oder »Brunken« antworten. Das dritte Mordopfer, und immer noch keine Verbindung zu erkennen … Trevisan redete noch eine ganze Weile mit dem Wirt, doch am Ende hatte er nur wenig erfahren, das ihnen bei den Ermittlungen weiterhelfen würde.
    Es war halb vier, als Trevisan sich erhob. Bevor er den Klosterkrug verließ, wandte er sich noch einmal um. »Wissen Sie, ob Uwe Lohmann früher einmal Lastwagen gefahren ist?«
    Der Wirt zuckte die Schulter. »Das ist schon eine Weile her. Vier Jahre vielleicht. Aber dann hat die Streife ihn erwischt und ihm den Führerschein abgenommen. Seither fährt er nur noch Mofa. Er hat nie wieder einen Führerschein gemacht.«
    *
    Sie saß hinter dem Steuer ihres Wagens, direkt am Fliegerdeich, und beobachtete den Sonnenaufgang. Das Wasser glitzerte rötlich und die Schaumkronen der Wellen wirkten wie eine blutige Woge, die über das Ufer schwappte.
    Sie hatte nicht geschlafen, aber sie war nicht müde. Zu viele Gedanken rasten ihr durch den Kopf. Sie dachte an ihre Zukunft. Zurück in ihr altes Leben würde sie nicht mehr können – und auch nicht mehr wollen. Aber sie hatte genug Geld auf die Seite gebracht, um ein bescheidenes, aber durchaus ereignisreiches Leben führen zu können. Sie würde auswandern. Vielleicht würde es ihr gelingen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, es abzustreifen, wie die Schlange ihre zu eng gewordene Haut abstreifte. Vielleicht. Und wenn sie die Schatten der Vergangenheit immer noch nicht in Ruhe ließen, was wäre dann?
    Es war schon komisch. Über all die Zeit konnte man tatsächlich vergessen, wer Täter und wer Opfer war. Das Leben war einfach nicht in solche Begriffe zu fassen. Schwarz und weiß, groß und klein, alt und jung, gut oder böse, alles war nur eine Frage der Perspektive.
    Langsam fühlte sie die Müdigkeit, die sich über ihre Glieder in ihren Kopf schlich und sich wie ein Schleier über ihre Augen legte. Sie atmete noch einmal tief ein, dann startete sie den Motor. Die Sonne hatte es geschafft, sie war dem

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