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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Tante Maudes feiste weiße Hand, die eisern Hannahs schmales Gelenk umschlossen hielt.
    Sie fragte sich, ob Maude Hannah nicht mit mehr als mit Worten misshandelte. Hatte sie auch ihre Schwester tyrannisiert? Aber natürlich hatte sie das getan. Vielleicht hatte die große, kräftige Maude Etta gezwungen, nach ihrer Pfeife zu tanzen; vielleicht hatte sie sie geschlagen und gequält, wenn Etta etwas fallen ließ oder mit Verspätung vom Einkaufen zurückkam. Vielleicht hatte Maude Quinn mit ihrer dominanten Persönlichkeit und ihrer überlegenen Körperkraft ihre jüngere Schwester zu der Frau gemacht, die sie heute war: ängstlich, labil und unsicher.
    Die Begegnung mit dem gut aussehenden, großzügigen Nicholas Chance musste Etta wie ein Traum vorgekommen sein. Kein Wunder, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Kein Wunder, dass sie in ihm die Befreiung gesehen hatte, die Gelegenheit, Maude zu entfliehen. Aber vielleicht hatte sie ihn mit ihrer abgöttischen Liebe erstickt. Allzu lebhaft erinnerte sich Ruby an die Streitereien, das Schweigen und die Tränen, die dem Verschwinden ihres Vaters vorausgegangen waren.
    Was ist, wenn du etwas Unangenehmes herausbekommst?, hatte Theo sie gefragt. Etwas, was du vielleicht lieber nicht gewusst hättest?
    Es gab eine Möglichkeit, die keiner von ihnen beiden ausgesprochen hatte. Was, dachte sie, wenn ihr Vater gar nicht vor etwas weggelaufen war? Was, wenn er zu etwas – oder jemandem – hingelaufen war?

6
    A NTON SCHENKTE S ARA EINEN S TRAUß aus Zaubernusszweigen und Weidenkätzchen: Die Blüten der Zaubernuss leuchteten wie winzige Sonnen. Ihrer Mutter erzählte Sara, dass sie ihn in dem verwilderten Garten hinter Rubys Haus gepflückt habe. Ein Duft wie von frostigen Winternächten lag in ihrem Zimmer.
    Eines Nachmittags sang er für sie, als sie vor Rubys Haus auf Philip wartete. Sein volltönender Bariton – es war ein Lied von Strauss, glaubte sie – schallte über die Straße, und sogar die Passanten sahen zu dem geöffneten Fenster hinauf und lächelten.
    Unten im Vestibül von Rubys Haus küssten sie sich. Nicht abgeholte Briefe für ehemalige Mieter lagen, vergilbt und staubbedeckt, auf der Konsole, und der Boden war fleckig von schmutzigen Schuhabdrücken. In einem nahe gelegenen Zimmer spielte jemand Saxofon. Der Klang des Blues mischte sich mit dem Gefühl seiner Nähe und seiner Berührung. Seine Hände ruhten auf ihren Hüften, und ihre Wange strich über sein raues Kinn. Draußen, in der Dunkelheit, nahm er sie in die Arme und umhüllte sie mit seinem abgetragenen schwarzen Mantel. Sie legte den Kopf an seine Schulter, schloss die Augen und atmete seinen Geruch ein.

    Ein aufreibender, gefährlicher Frühling folgte. Als sie einmal zu Rubys Haus zurückkehrten, parkte der Wolseley davor, und Isabel, die zerstreut den Gehweg hinauf- und hinunterblickte, stand daneben. Hatte sie Antons Arm losgelassen, ehe ihre Mutter sie gesehen hatte? Sara eilte auf Isabel zu und hoffte es, doch sicher war sie sich nicht.
    Â»Mama, du bist früh dran.«
    Â»Ich wollte Mrs. Saville im Krankenhaus besuchen.« Mrs. Saville war eine Freundin von Isabel. »Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, mich zu begleiten, Schatz. Ruby, meine Liebe… wie geht es dir… du musst nächsten Sonntag zum Mittagessen zu uns kommen, wir haben dich schon so lange nicht gesehen.« Isabel gab Ruby einen Kuss auf die Wange, doch ihr Blick, jetzt gar nicht mehr zerstreut, ruhte auf Anton.
    Â»Natürlich begleite ich dich, Mama.« Hastig stellte Sara die beiden einander vor.
    Â»Ich glaube, mein Mann kennt eine Familie namens Wolff.« Isabel reichte Anton die Hand. »Sie wohnt in Finchley. Sind Sie vielleicht verwandt mit ihr?«
    Â»Ich glaube kaum, Mrs. Finborough. Meine Familie kommt aus Wien.«
    Ein knappes, höfliches Lächeln. Dann: »Mr. Wolff, Ruby – ich bitte um Entschuldigung, aber ich fürchte, Sara und ich müssen aufbrechen.«
    Als sie im Fond des Wagens saßen, fragte ihre Mutter: »Kennt Ruby Mr. Wolff schon lange?«
    Â»Ungefähr ein halbes Jahr, glaube ich.«
    Â»Was ist er von Beruf?«
    Â»Er möchte Architekt werden. Er studiert noch.«
    Â»Er arbeitet nicht? Wo wohnt er? Ist Ruby eng mit ihm befreundet?« Und leiser, damit Dunning, der den Wagen fuhr, es nicht hören konnte,

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