Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
bereitgestellt, der Ihnen ganz sicher munden wird.»
Die Herren erhoben sich mit zustimmendem Gemurmel. Julius nickte den Frauen im Raum zu. «Sie entschuldigen uns, meine Damen.»
«Hach, immer diese Männerrunden», flüsterte Frieda und setzte sich neben Pauline. «Was sie nur miteinander zu besprechen haben?»
«Nun, vermutlich nicht viel anderes als wir», vermutete Pauline und bemühte sich, ihre Verwirrung nicht zu zeigen. Julius’ plötzliche Galanterie, sein öffentliches Lob ihrer Fähigkeiten, obwohl sie doch erst so kurz hier arbeitete – das alles machte sie mehr als verlegen. Sie fragte sich, welchen Eindruck seine Worte wohl auf die übrigen Anwesenden gemacht haben mochten. Die Damen ließen sich nichts anmerken, dazu waren sie zu wohlerzogen. Das Getuschel würde erst hinter Paulines Rücken stattfinden.
«Glauben Sie? Nein, bei den Männern geht es doch immerzu nur um Geschäfte und Geld. Für uns Frauen schickt es sich nicht, über solche Angelegenheiten zu reden.» Frieda lächelte ihr zu. «Sagen Sie, dieses entzückende Kleid stammt nicht zufällig von der Schneiderin Lissenich? Ich meine, etwas Derartiges in ihrem Schaufenster gesehen zu haben. Es kleidet Sie wirklich ausgezeichnet, meine Liebe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie wirklich ein Dienstmädchen gewesen sein sollen. Sie sind so gebildet und kultiviert. Ich würde zu gern wissen, wie es dazu kam.»
Pauline faltete die Hände im Schoß. «Das ist eine lange Geschichte, Fräulein Oppenheim.»
«Oh, bitte nennen Sie mich Frieda! Wir sind doch beinahe im gleichen Alter, nicht wahr? Und ich finde Sie sehr sympathisch, meine Liebe. Darf ich Sie Pauline nennen?»
«Natürlich, wenn Sie möchten.»
«Nun erzählen Sie mir bitte, Pauline. Wie kommt es, dass ein ehemaliges Dienstmädchen so gebildet ist wie Sie?» Frieda beugte sich ein wenig vor und wartete mit sichtlicher Neugier auf Paulines Antwort.
Die seufzte innerlich und legte sich rasch eine Kurzfassung der Ereignisse des vergangenen Jahres zurecht. Vermutlich würde sie diese noch öfter erzählen müssen.
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Kapitel 14
«Sie sollten sich wirklich überlegen, bei diesem Geschäft einzusteigen», sagte Friedrich Oppenheim und schwenkte bedächtig den Weinbrand in seinem Glas. «Nicht wahr, Herr Schnitzler, Sie stimmen mir doch zu – eine bessere Geldanlage werden Sie so leicht nicht mehr geboten bekommen.»
Schnitzler nickte leicht. «Die Vorteile liegen auf der Hand. Aber ich kenne Sie ja, Reuther. Sie gehen nicht gerne ein Risiko ein.»
«Was denn für ein Risiko?» Oppenheim winkte ab. «Wir sind doch alle mehr oder weniger in derselben Lage, oder etwa nicht? Sie und ich ganz besonders, Reuther. Wir sind im gleichen Geschäftsfeld tätig. Der Textilhandel wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten grundlegend verändern. Diejenigen, die jetzt zu den Pionieren der neuen Technik gehören, werden später die Nase vorn haben. Es wird günstige Importquellen und bessere Transportwege geben. Die Webstühle werden immer moderner und die Arbeit daran effektiver. Und nicht zuletzt wächst der Absatzmarkt enorm. Seit dem Ende der französischen Besatzung kaufen die Leute wieder mehr Stoffe für farbenfrohe Kleider. Die landesspezifische Mode blüht erneut auf. Und mit der günstigen Baumwolle können wir bald auch die weniger zahlungskräftigen Kunden bedienen. Sehen Sie das nicht genauso?»
«Natürlich», gab Julius zu. «Aber ich gebe zu bedenken, dass die Entwicklungen, die sich in Übersee und in England abzeichnen, hier auf dem Kontinent noch nicht angekommen sind. Vielleicht werden erst unsere Kinder oder Kindeskinder davon profitieren.»
«Aber wir sind es, die die Weichen stellen müssen», setzte Oppenheim nach. «Und um das zu tun, benötigen wir alle Kapital. Ich für meinen Teil werde nicht zögern, mich mit den neuen Wertpapieren einzudecken. Und wenn wir und noch ein paar andere uns zusammenschließen würden, könnten wir …»
«Ich werde darüber nachdenken», unterbrach ihn Julius. «Aber ich bin nicht bereit, eine große Summe Geld zu opfern – das Geld, das ich derzeit für Investitionen in meinem Betrieb benötige, um die vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern. Ohne Weberinnen kann ich schließlich keine Textilien produzieren. Ich habe Aufträge einzuhalten.»
«Da gebe ich Ihnen ja recht», antwortete Oppenheim. «Aber hätten Sie es nicht wesentlich einfacher, wenn Sie Ihr Kapital in kurzer Zeit verdoppelten
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