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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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eine maßlose Übertreibung handeln musste.
    Julius unterdrückte sein zufriedenes Lächeln. Es bereitete ihm eine diebische Freude, seine sogenannten Freunde aus der guten Gesellschaft derartig in Erstaunen zu versetzen. Es missfiel ihm, dass die meisten Leute annahmen, Talent und Können wären nur bei Menschen von höherer Abstammung vorhanden – was auch immer das bedeuten mochte. Er selbst war das, was man einen Emporkömmling nannte. Seine Eltern und Großeltern stammten aus einfachen Verhältnissen. Dennoch gehörte er der Kölner Oberschicht an: bei vielen Bürgern angesehen, von ebenso vielen zähneknirschend geduldet. Er hatte es mit seiner Hände Arbeit und dem Einsatz seines Verstandes zu Wohlstand und Einfluss gebracht. In den Schoß war ihm nichts gefallen. Und nun hatte er diese junge Frau in seinem Haus, die mit ihrer Wohlerzogenheit und ihrer überdurchschnittlichen Bildung ohne sichtbare Anstrengung die höheren Töchter der Gesellschaft in den Schatten stellte. Wenn auch nur ein Bruchteil dieser Bildung und Anmut auf seine Tochter – und in gewissem Sinne auch auf seinen Sohn – abfärben würde, hätte sich die Investition schon mehr als gelohnt. Und seine weiteren Pläne waren in diese Rechnung noch gar nicht miteinbezogen.
    Julius konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Pauline wechselte ohne Übergang zu einer englischen Weise. Er erkannte dieses Lied, das sie bereits bei den Steins gesungen hatte. Mit neuem Interesse betrachtete er sie. Sie sang und spielte ohne Notenblatt.
    Hatte sie dieses Stück mit Absicht gewählt? Aus den Augenwinkeln sah er, dass Ariane Stein unruhig auf ihrem Sessel hin und her rutschte. Auch sie hatte das Lied erkannt. Julius richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Sängerin, in deren Blick ein Ausdruck von Triumph schimmerte. Er stand ihr ausgezeichnet.
    Je länger Julius dem Lied lauschte, desto mehr wurde ihm bewusst, worum es darin ging. Er hatte Geschäftskontakte in England, deshalb kannte er sich mit der englischen Sprache ein wenig aus. Ob Pauline ebenfalls wusste, was sie da sang?
    … All the day the sun that lends me shine
    By frowns do cause me pine
    And feeds me with delay;
    Her smiles, my springs that makes my joy to grow,
    Her frowns the Winters of my woe.
     
    All the night my sleeps are full of dreams,
    My eyes are full of streams.
    My heart takes no delight
    To see the fruits and joys that some do find
    And mark the storms are me assign’d …
    Dieses Lied war eine einzige Liebeserklärung – und die Klage eines Mannes, dem die Angebetete unerreichbar erschien.
    Als sie für einen Moment den Kopf hob und sich ihre Blicke trafen, errötete sie leicht.
    Julius’ Herz machte einen unerwarteten Satz und geriet ins Holpern.
    Sie wusste es.
    ***
    Pauline hatte große Mühe, sich auf den Liedtext zu konzentrieren. Die Blicke, die Julius Reuther ihr zuwarf, wühlten sie auf. Was war nur los mit ihr? In ihrem Inneren tobte ein Sturm; sie wusste, dass sich ihre Wangen gerötet hatten. Lediglich die Tatsache, dass auch die Augen aller übrigen Anwesenden an ihren Lippen hingen, ließ sie die Kraft finden, das Lied würdevoll zu beenden.
    Die Gäste applaudierten, nicht verhalten wie bei Friedas Darbietung, sondern mit ehrlicher Begeisterung.
    «Du liebe Zeit, Herr Reuther, da haben Sie sich aber eine außerordentlich talentierte junge Dame ins Haus geholt. Ihre Tochter wird ganz bestimmt sehr davon profitieren», befand Hedwig Oppenheim mit einem herzlichen Lächeln. «Nicht wahr, Friedrich, eine Dame mit so großem Talent ist eine Bereicherung.»
    Der Angesprochene nickte, schränkte jedoch ein: «Solange Singen nicht das Einzige ist, was sie kann, hast du sicher recht, meine Liebe.»
    «Ich versichere Ihnen, Fräulein Schmitz hat eine ganze Reihe von Talenten, die sie in ihre Arbeit hier im Hause einbringt», sagte Julius und stand auf. «Sie unterrichtet meine Tochter und meinen Sohn in den modernen Sprachen, Malerei, Gesang, Geographie und Geschichte.» Er trat an den Flügel und reichte Pauline galant seine Hand. Überrascht ergriff sie sie und stand auf. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und ihr Herzschlag geriet ins Stocken. Julius geleitete sie zu einem der beiden Kanapees. Dann wandte er sich wieder an seine Gäste.
    «Meine Herrn, was halten Sie davon, wenn wir die Damen für eine Weile sich selbst überlassen? Begleiten Sie mich in die Bibliothek, dort habe ich einen ausgezeichneten Weinbrand für Sie

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