Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Haus und tun Ihre Arbeit. Ich bezahle Ihnen weiß Gott genug dafür», knurrte er in seinem ihm typischen, ruppigen Ton, mit dem Pauline weit besser umgehen konnte als mit der rauen, beinahe sanften Stimme, die ihr eine Gänsehaut bescherte.
«Fürs Erste?» Sicherheitshalber machte sie einen Schritt rückwärts, um aus seiner Reichweite zu gelangen.
«Bis Sie sich selbst zu etwas anderem entscheiden», gab er kühl zurück.
Sie atmete tief durch. «Also gut, Herr Reuther. Dann werde ich das tun, wofür Sie mich bezahlen. Für den Anfang würde ich sagen: Sehen Sie zu, dass diese Unordnung bis heute Abend so weit beseitigt ist, dass wir Ihre Gäste empfangen können, ohne uns schämen zu müssen.»
Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, öffnete sie die Tür und rauschte hinaus.
***
«Wer zum Teufel steckt dahinter?» Ungehalten lief Julius in seinem Büro über der Fabrik auf und ab. «Lungenberg?»
«Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Nachweisen können Sie ihm wohl nichts», sagte Thomas Herold grimmig. «Wenn Sie mich fragen, sollten Sie einen Detektiv anheuern. Es muss doch herauszufinden sein, wer die Aktien aufgekauft hat, die Sie erwerben wollten, und ob es dieselbe Person war, die schon Ihre Beteiligung an der vorherigen Spekulation vereitelt hat.»
«Vereitelt?» Julius blieb stehen und ballte die Hände zu Fäusten. «Mein Glück wäre es gewesen, wenn sie vereitelt worden wäre! Verdorben ist der bessere Ausdruck. Ich wusste, ich hätte die Finger davon lassen sollen. Aber ich wollte einfach nicht …» Hilflos schloss er die Augen und bemühte sich um Ruhe. Vergeblich.
«Wie viel haben Sie verloren, Herr Reuther?» Herold trat einen Schritt auf seinen Freund und Arbeitgeber zu. Als Julius ihm den Betrag nannte, musste Herold die Augen für einen Moment schließen. «Sie haben alles auf eine Karte gesetzt?»
«Blieb mir denn eine andere Wahl?» Julius starrte ihn wütend an. «Ja, natürlich hatte ich die. Nun habe ich anscheinend keine mehr.»
«Sie werden auf Oppenheims Angebot eingehen?», fragte Herold mitfühlend. Er ahnte, was in Julius vorging. Offenbar sollte nicht sein, was sich dieser so innig wünschte – und ganz sicher auch verdient hatte.
Traurig schüttelte Thomas Herold den Kopf. Er war kein Mensch, der das Herz auf der Zunge trug, darin ähnelte er Julius. Doch hatte er weniger Ungemach durchleben müssen und war darüber hinaus mit einer Frau gesegnet, die er von Herzen gern hatte und die diese Liebe erwiderte. Er wünschte Julius auch dieses Glück, doch wie die Dinge nun standen, ahnte er, wie die Geschichte ausgehen würde.
Herold setzte ein ermutigendes Lächeln auf. «Sehen Sie es einmal so: Frieda Oppenheim ist eine freundliche Person und klug genug, Ihnen Ihre Ruhe zu lassen. Sie werden ein angenehmes Leben an ihrer Seite führen und ganz bestimmt noch einige stramme Söhne und bildhübsche Töchterchen mit ihr bekommen.»
Wortlos blickte Julius ihn an.
Herold nickte verständnisvoll. «Sie legen keinen Wert auf Ruhe, nicht wahr? Sie wollen lieber die Frau, die Ihnen den letzten Nerv raubt.»
«Was soll ich tun, Herold?» Nun klang Julius nicht mehr zornig, sondern gänzlich ratlos.
Herold dachte eine geraume Weile über die Frage nach. «Ich weiß, was Ihnen jeder Mann mit Verstand raten würde. Sie wissen es ebenfalls, deshalb spare ich mir den Atem. Aber etwas anderes haben Sie vielleicht noch nicht zu Ende gedacht: Was sagt denn die betreffende Dame zu Ihren Plänen? Weiß sie, dass Sie sie lieben?»
Der entsetzte Ausdruck auf Julius’ Gesicht brachte den Vorarbeiter beinahe zum Lachen. «Vielleicht sollten Sie diese Angelegenheit zuerst ergründen, bevor Sie eine Entscheidung treffen, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt.»
***
Bereits zum zweiten Mal streifte Pauline an diesem Abend durch das stille Haus. Es war kurz vor elf und Julius noch nicht da. Er war schon zum Abendessen nicht erschienen, ohne vorher eine Nachricht zu schicken. Das sah ihm nicht ähnlich. Zwar überraschte er sie immer mal wieder mit unangemeldeten Gästen – oder unverhofften Renovierungsmaßnahmen –, doch wenn er spontan abends ausblieb, sendete er immer eine kurze Notiz.
Pauline machte sich Sorgen. Wohin mochte er nach der Arbeit in der Fabrik nur gegangen sein? Er war zu Fuß unterwegs. Die Kutsche, die er normalerweise benutzte, wenn er eine Verabredung auswärts hatte, stand nach wie vor in der Remise.
Ob ihm etwas zugestoßen war? Nach Einbruch der
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