Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Erfolg.
Und nun das! Jemand hatte sich in das Spekulationsobjekt eingekauft und die Waren, um die es ging, im Alleingang übernommen, auch Julius’ Anteile. Er konnte nichts tun, denn bei Spekulationen gewannen nun einmal immer die schnellsten und meistbietenden Anleger. Da er nun keine Anteile mehr besaß, die er gewinnbringend weiterverkaufen konnte, stand er kurz vor dem Ruin. Wenn nicht bald etwas geschah, würden etliche Arbeitsplätze in seiner Fabrik verlorengehen. Die Löhne waren momentan noch sicher, aber sollte eine weitere Hiobsbotschaft seine Firma treffen, würde er vielleicht Leute entlassen müssen.
Oppenheim war der Einzige, der ihm noch Hilfe anbot. Er würde die Kosten für die Webstühle übernehmen und in die Fabrik investieren. Julius wusste, dass er in der Falle saß, wenn er darauf einging. Denn Oppenheim wollte die beiden Fabriken fusionieren, und seine Tochter war das Pfand.
Unter anderen Umständen wäre Julius vielleicht nicht abgeneigt gewesen. Doch er hatte sich etwas in den Kopf gesetzt, und wenn er sich zu einer Sache entschloss, dann führte er sie auch durch. Frieda Oppenheim gehörte nicht in seinen Plan. Er hatte sie in den letzten Wochen häufig zu Gesicht bekommen, wenn sie Pauline besuchte. Dass sie so oft in die Löwengasse kam, anstatt Pauline zu sich einzuladen, war ganz sicher auch dem Einfluss ihres Vaters zuzuschreiben. Julius hatte zwar nicht den Eindruck, dass Frieda sich besonders zu ihm hingezogen fühlte, doch wusste sie ganz sicher eine gute Partie zu schätzen. Und eine solche war Julius, dessen war er sich durchaus bewusst. Zumindest war er es noch.
Entweder er gab nach und begann, Frieda den Hof zu machen, oder er war gezwungen, beim nächsten Geschäft, das Schnitzler vorschlug, mitzumachen und zu hoffen, dass sich diesmal der Einsatz weiterer Reserven auszahlen würde. Im Grunde war es Wahnsinn, darüber auch nur nachzudenken. Diese neuen Anlageformen waren ihm schon immer zu riskant gewesen. Er scheute sich davor, geldwerte Anteile oder Waren von Firmen zu kaufen und dann gebündelt wieder abzustoßen, wenn sein Bankier die Zeit für gekommen sah. So etwas hatte zwar schon manchen Mann reich gemacht, aber wenn der richtige Zeitpunkt für den Verkauf verpasst wurde, konnte es sein, dass alles Geld verloren war. Die Bestätigung seiner Zweifel hatte Julius gerade auf dem Schreibtisch liegen.
Der einfache, komfortable und ganz bestimmt sichere Weg wäre Frieda Oppenheim. Sie besaß eine großzügige Mitgift und war gesellschaftlich hoch angesehen. Ihr Vater würde Julius mit offenen Armen in seine Familie aufnehmen. Doch zu welchem Preis? Schon einmal war Julius sehenden Auges in eine solche Falle getappt. Zwar hatte er nicht wissen können, dass seine Braut krank war und ihm das Leben auf verschiedenste Weisen zur Hölle machen würde. Bei Frieda schätzte er diese Gefahr äußerst gering ein. Sie würde ihre Pflicht tun und ihn vielleicht sogar ein wenig mögen, zumindest aber respektieren.
Dumm nur, dass ihm das nicht reichte. Nicht mehr. Nicht, seit er an jenem Herbsttag in Steins Kolonialwarenladen mit einer gewissen Dienstmagd zusammengestoßen war. Er hatte sich zunächst selbst gescholten für seine närrischen Gedanken und Gefühle, die aus heiterem Himmel über ihn gekommen waren. Er hatte sich für verrückt erklärt. Als er dann unter Steins Fenster ihren Gesang vernommen und sie nur wenig später im Umgang mit Peter beobachtet hatte, war seine Entscheidung gefallen. Zunächst hatte er sich versucht einzureden, dass er lediglich beabsichtigte, für seine Kinder eine gebildete Gouvernante einzustellen. Und hätte er sich das nicht immer wieder gesagt, dann wären seine Zweifel an dieser Begründung sicherlich auch anderen Menschen aufgefallen.
Er hatte durch den Detektiv von Anfang an gewusst, dass es nicht leicht sein würde, sie für sich zu gewinnen. Noch immer konnte er nicht einschätzen, wie schwer sie an Körper und Seele gelitten hatte. Tagsüber war sie stark, beherrscht, gelassen. Doch hatte er einen ihrer Albträume erlebt. Was, wenn sie vielleicht niemals darüber hinwegkam? Wenn dieser Mistkerl, der ihr das angetan hatte, ihr für immer den Mut genommen hatte, einem Mann zu vertrauen … sich ihm hinzugeben?
Julius schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er durfte seine Gedanken nicht in diese Richtung wandern lassen. Es war zu gefährlich, denn Pauline befand sich nur ein Stockwerk entfernt von ihm in
Weitere Kostenlose Bücher