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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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gehen.» Sie stieg mit den beiden ins Obergeschoss und wartete, bis sie sich bettfein gemacht hatten. Zuerst ging sie zu Peter und deckte ihn ordentlich zu. Er griff nach ihrer Hand, und Pauline setzte sich kurz auf seine Bettkante.
    «Gibt es etwas?», fragte sie und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn.
    «Nein.» Peter kuschelte sich in sein Kissen.
    «Wirklich nicht?»
    Der Junge zögerte. «Darf ich wirklich auf dem Pianoforte spielen lernen?»
    «Aber das habe ich dir doch gesagt. Möchtest du das so gerne?»
    «Ja.»
    Die schlichte Ehrlichkeit hinter diesem Wort rührte Pauline. «Dann sollten wir gleich morgen damit anfangen, meinst du nicht auch?»
    Der Junge nickte mit einem seligen Lächeln. «Fräulein Schmitz?»
    Sie beugte sich ein wenig zu ihm. «Hm?»
    «Ich hab nicht die Wahrheit gesagt.»
    Verblüfft musterte sie ihn. «So? Wann denn?»
    «Als ich gesagt habe, dass ich Sie hasse.» Peter drückte ihre Hand. «Das war gelogen.»
    Pauline lächelte gerührt. «Da bin ich aber erleichtert.»
    «Sie sind mir nicht böse?»
    «Aber nein, Peter. Natürlich nicht.»
    Peter lächelte und schloss die Augen. «Gut.»
    Ein kurzes Weilchen blieb Pauline noch neben dem Jungen sitzen, bis sie merkte, dass seine Atemzüge tief und gleichmäßig gingen. Dann stand sie leise auf, löschte das Licht und begab sich hinüber zu Ricardas Zimmer.
    Das Mädchen saß noch vor dem Spiegel, in einem langen weißen Nachthemd und mit einem Wolltuch um die Schultern. Eifrig und konzentriert bearbeitete sie ihr Haar mit der Bürste. Als sie Pauline sah, verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. «Das war ein schöner Abend, nicht wahr?»
    «Ja, sehr schön», stimmte Pauline zu.
    «Ich glaube, Papa hat Sie sehr gern.»
    «Wie bitte?» Erschrocken starrte Pauline das Mädchen an.
    Ricarda legte die Bürste auf die Kommode und ging hinüber zu ihrem Bett. «Mit Mama hat er nie gesungen. Selbst mit Großmama tut er das nur ganz selten. Und dann auch nie solche Lieder.»
    «Was meinst du damit?» Besorgt folgte Pauline ihr zum Bett und setzte sich auch hier auf die Kante.
    «Na, solche Liebeslieder.» Ricarda schlüpfte unter ihre Decke. «Ob er mit Fräulein Oppenheim auch singen wird, wenn er sie geheiratet hat?»
    Entgeistert schüttelte Pauline den Kopf. «Was weißt du denn darüber?»
    «Och, in der Schule erzählen die anderen Mädchen viel. Und Änne Stein sagte, dass ihre Mutter gesagt hat, dass Frau Oppenheim erzählt hat, ihre Tochter würde bald den Namen Reuther tragen.» Ricarda spielte mit einem Zipfel ihrer Decke. «Ich will nicht, dass Papa wieder heiratet. Jedenfalls nicht Fräulein Oppenheim.»
    Pauline biss sich auf die Unterlippe und bemühte sich um einen unbeteiligten Ton. «Aber warum denn nicht? Fräulein Frieda ist eine ausgesprochen nette junge Dame, die dich und Peter sehr gerne mag.»
    «Ja, sie ist ganz nett. Aber …»
    «Aber?» Fragend blickte Pauline das Mädchen an.
    «Sie ist nicht so nett wie Sie, Fräulein Schmitz.» Ganz undamenhaft rieb sich Ricarda über die Nase. «Können Sie nicht meinen Papa heiraten?»
    «Aber Ricarda …» Pauline wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, doch das Mädchen schien ihren Einwand gar nicht gehört zu haben.
    «Weil … dann könnten wir wieder eine richtige Familie sein. Ich glaube bestimmt, dass Papa Sie gern hat. Er guckt Sie nämlich immer so an. Und Sie sind auch die Einzige, von der er sich was sagen lässt. Ich weiß, dass ich mal gesagt habe, dass ich nicht will, dass Sie Papa heiraten. Aber das war vorher.»
    «Vorher?»
    Ricarda nickte unbestimmt. «Ja, vorher. Bevor ich …» Sie stockte sichtlich verlegen. Dann hob sie den Kopf. «Würden Sie meinen Papa heiraten? Ich meine, haben Sie ihn denn auch gern?»
    Pauline blickte auf ihre Hände hinab. «Weißt du, Ricarda … Bei einer Ehe geht es nicht nur darum, ob einer den anderen gern hat.»
    «Nicht?» Ricarda klang vollkommen verblüfft. «Aber worum denn dann?»
    «Ja, das würde mich auch interessieren», kam unvermittelt Julius’ Stimme von der Tür her.
    Pauline fuhr erschrocken zu ihm herum. «Herr Reuther!»
    «Entschuldigen Sie die Störung, Fräulein Schmitz. Ich wollte Sie nicht unterbrechen, sondern nur daran erinnern, dass ich Sie später noch sprechen möchte.»
    «Ja, natürlich, gnädiger Herr.» Sie nickte hastig.
    «Bis später dann. Gute Nacht, Ricarda.» Er lächelte seiner Tochter zu und verschwand.
    Nervös wandte Pauline sich wieder dem Mädchen zu.

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