Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
Vom Netzwerk:
wie die Sache zu Stande gekommen war, kümmerte sie eigentlich recht wenig.
    Sie hatte ihren ersten Auftrag. Sie war aufgeregt.
    Im Peabody-Saal ließ sie sich an ihrem Lieblingstisch nieder.
    Hinter dem Informationstresen saß heute Dorothy, die Faith mit Vornamen begrüßte, als sie sich nach einem vergriffenen Werk über die Geschichte des Westteils von Georgetown erkundigte.
    „Gut, dass Sie hier sind. Ich habe etwas für Sie.“ Dorothy verschwand und kam mit einem großen Band wieder, der Boulevardzeitungen zu enthalten schien. „Das ist gerade aus der Buchbinderei zurückgekommen. Diese Lokalzeitung ist in den frühen Sechzigern ein Weilchen wöchentlich erschienen und sehr bald wieder eingestellt worden. Wir haben sie nicht einmal in den Katalog aufgenommen. Jemand hat den Stapel auf seinem Speicher gefunden und uns geschenkt. Auflage und Verbreitung waren so gering, dass selbst wir nichts von dem Blatt wussten.“
    Faith nahm Dorothy den Band ab. „Und warum sollte mich das interessieren?“
    „Einer der Reporter war offenbar auf den Pulitzer-Preis scharf. Das ist kein normales Annoncenblättchen. In fast jeder Ausgabe findet sich ein ausführlicher Bericht über die Entführung. Ich dachte, Sie sollten einen Blick darauf werfen. Ich hatte keine Zeit, alles zu lesen, aber das Material scheint viel versprechend zu sein.“
    „Danke. Ich werde es durchsehen und Ihnen erzählen, was ich herausgefunden habe.“
    Aber dazu kam es nicht, denn eine Stunde später legte Faith den Band auf Dorothys momentan verlassenen Tisch und verließ die Bibliothek.
    Die „Scavenger“-Vorstandssitzung nahm Pavel bis fast sechs Uhr in Anspruch. Was einst als exzentrischer Haufen von Computerfreaks voller kreativer Ideen, aber ohne nennenswerten Geschäftssinn angefangen hatte, war im Laufe der erfolgreichen Jahre zu einem gut laufenden internationalen Firmenkonglomerat geworden.
    In den letzten beiden Jahren hatte er mehr und mehr Verantwortung abgegeben, und jetzt wurde es Zeit, sich ganz zurückzuziehen. Er hatte nie offiziell seinen Rücktritt erklärt, doch sein Verhalten legte dies nahe. Der heutigen Sitzung hatte er zwar formell vorgestanden, aber alle wussten, dass er das Unternehmen inzwischen nur noch in dem Sinne leitete, wie Königin Elizabeth über Großbritannien „herrscht“. Er musste die Zügel entweder sehr bald wieder an sich reißen oder sich verabschieden. „Scavenger“ stand nicht schlecht da, selbst jetzt in der angespannten Wirtschaftslage nicht, aber es lief nicht mehr so gut wie früher. Die Zuversicht und die Perspektive fehlten. Eine stärkere Führung musste her; diese Forderung würde bald auch unter den Aktionären laut werden.
    Er fuhr direkt nach Hause, anstatt seine Kollegen noch auf ein paar Drinks zu „McCormick & Schmidts“ zu begleiten. Auch das bewies, wie sehr er das Interesse an seiner Arbeit verloren hatte: Früher hätte er jeden von ihnen unter den Tisch getrunken und noch immer hellwach und ausdauernd über irgendetwas diskutiert. Er hatte jede Minute genossen, und wenn in Georgetown eine Frau auf ihn gewartet hatte, so war ihm das immer erst wieder eingefallen,wenn er sich auf dem Rückweg in die Stadt befunden hatte.
    Aber Faith vergaß er nicht.
    Er duschte ausgiebig. Als ihm endlich auffiel, wie stark er den Wasserstrahl eingestellt hatte, fragte er sich, was er eigentlich abzuwaschen versuchte. Keinen kalten Zigarettenrauch, denn im „Scavenger“-Gebäude war das Rauchen verboten. Keinen Schweiß, denn seit der morgendlichen Dusche bei Faith hatte er nichts Schwereres als einen Kugelschreiber gestemmt.
    Er vermutete, dass er die anstehende Entscheidung wegspülen wollte. So war er es schließlich gewöhnt: alles Unangenehme abzuschütteln. Es wegzuschließen oder zu vergraben. Es auf jeden Fall loszuwerden. Noch besser: sich gar nicht erst in die Nähe von etwas Unerfreulichem zu begeben – wie persönliche Entscheidungen aller Art oder das Elend der Welt.
    Oder Beziehungen.
    Er trocknete sich ab und kleidete sich an. Er erwog selbst eine Rasur, aber das erschien ihm übertrieben. Sie wollten doch nur bei Filomena essen, ganz in der Nähe, wo rotwangige italienische Mammas im Schaufenster vor aller Augen Pasta zubereiteten. Faith hatte noch nie dort gegessen, und er freute sich darauf, sie mit diesem besonderen Genuss bekannt zu machen.
    Er erinnerte sich an das, was sie heute früh gesagt hatte: über jene anderen „Genüsse“, in die er sie eingewiesen hatte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher