Das Haus in Georgetown
wunderbarer Liebhaber, sehr zärtlich und zugleich sehr stürmisch. Wenn sie sich geliebt hatten, fühlte Faith sich immer wie ausgewrungen, als hätte er jeden Tropfen Leidenschaft aus ihr herausgequetscht.
„Sie sind in der Schule.“ Er streichelte ihr Haar, offenbar ohne jede Eile, obwohl er am Nachmittag eine Vorstandssitzung hatte.
„Das weiß ich – rational betrachtet. Aber ein bisschen Hemmungen habe ich immer noch. Vielleicht befürchte ich einfach nur, dass jemand herausfinden könnte, dass ich ein Geschlechtsleben habe. Was, wenn es die Kinder sind?“
„Du? Ein Geschlechtsleben?“ Sein Lachen ließ seine Brust erbeben.
„Also, wenn du mein erster Freund gewesen wärst ...“
„Was dann?“
„Tja, dann wäre mir aufgefallen, dass das, was David und ich miteinander getrieben haben, kein ...“
„Na, spuck’s aus.“
„Es ist mir noch immer ein bisschen peinlich!“
„Das nennst du peinlich? Nach dem, was wir eben getrieben haben?“
Jetzt war sie es, die lachen musste. Sie war sich sicher, dass sie gerade ein ganzes Kapitel des Kamasutra hinter sich hatten. „Am Anfang haben David und ich uns oft genug geliebt, sodass ich das Gefühl hatte, es wäre alles in Ordnung. Aber selbst da konnten wir uns nie so richtig gehen lassen. Wir haben alles gegeben , aber nicht genug genommen . Klingt das blödsinnig?“
„Überhaupt nicht.“
„Es gab Warnsignale. Sie sind mir nur nicht aufgefallen.“
„Und ich habe dich jetzt zur Erleuchtung geführt?“
Sie rächte sich, indem sie an einem Haarbüschel auf seiner Brust zupfte, und er stöhnte auf. „Pass bloß auf, du Witzbold: Jetzt, wo ich weiß, was ich verpasst habe, könnte ich den Rest meines Lebens Dottie Lee nacheifern. Ich werde mir Liebhaber nehmen. Dutzende! In der ganzen Stadt wird man mich nur noch ,diese Frau‘ nennen!“
„Einerseits würde ich das gern erleben. Du als gefallene Frau, das wäre schon ein nettes Spektakel.“
„Und andererseits?“
„Die Gewissheit, dass ich der einzige Mann bin, den du morgens erwartest, würde mir fehlen.“
„Na ja, vielleicht warte ich noch ein bisschen, bis ich damit loslege.“
Pavel und sie hatten nie über ihre Gefühle füreinander gesprochen. Für ihn war das vermutlich der Normalzustand, nicht aber für sie. Sie hatte immer geglaubt, Sex, Liebe und Ehe gehörten zusammen wie die drei Blätter eines Kleeblatts.
Doch zu einem solchen Gespräch war sie im Moment noch nicht bereit. Sie lebte nur für den Augenblick. Faith blühte gerade erst auf, als Persönlichkeit und als Frau, und sie hatte keine Lust, sich gleich wieder an etwas oder jemanden zu binden und in eineLangzeitbeziehung hineinzuschlittern. Und Pavel hatte das offenbar noch nie gewollt, bei keiner Frau.
„Verstehst du deinen Mann jetzt ein bisschen besser?“ fragte Pavel.
„Ob ich besser verstehe, dass David Abraham Stein nicht widerstehen konnte, weil ich die Leidenschaft ein bisschen besser kenne?“
„Ein bisschen besser?“ Er tat beleidigt.
„Ein klitzekleines bisschen.“
Er zog sie auf sich und blickte ihr tief in die Augen. „Willst du vielleicht noch ein klitzeklitzekleines bisschen mehr davon?“
„Du machst Witze. Das wäre ein neuer Rekord, selbst für dich.“
„Wenn ich im Beruf Rekorde brechen kann, dann sicher auch hier.“
„Ich hätte Lust, dich auf die Probe zu stellen.“ „Ist das alles, wozu du Lust hast?“
Als sie aus der Dusche kam, war Pavel schon gegangen. Sie hatten sich zum Abendessen verabredet. Sie wollte es wagen, Alex und Remy allein zu lassen, während sie mit ihm ausging. Die Besprechung mit Remys Lehrern am Montag war positiv verlaufen. Alle hatten von einer leicht verbesserten Mitarbeit und besseren Klausurnoten berichtet. Die Chorleiterin war etwas länger geblieben, um nochmals zu betonen, wie begabt Remy war.
Dafür, dass es an der Schule besser zu laufen schien, wollte Faith Remy mit etwas mehr Eigenverantwortung belohnen. Wenn heute Abend alles glatt ging, würde sie die Leine nach und nach etwas länger werden lassen.
Sobald sie angezogen war, warf sie die Waschmaschine an undfüllte den Geschirrspüler. Dann nahm sie ihren Mantel und brach zur Bibliothek auf. Die Geschichte ihres Reihenhauses, die sie Lydia schenken wollte, war so gut wie fertig, und bald würde sie mit der Arbeit über das Haus von Pavels Freunden Joan und Carter Melvin anfangen. Sie hatte Pavel in Verdacht, dafür gesorgt zu haben, dass die Melvins sie beauftragt hatten, aber
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