Das Haus in Georgetown
Teller mit Scones. „Seltsam, finde ich. Sie nicht?“
„Sie interessiert sich für vieles.“ Aber für nichts leidenschaftlich. Faith bezweifelte, dass ihre Mutter auch nur einen Funken Leidenschaft im Leib hatte. Sie nahm einen Scone, der vor Korinthen platzte, und legte ihn auf ihren Teller.
„Reden wir lieber über Sie“, beschloss Dottie Lee. „Haben Sie schon Pläne für das Haus?“
Faith entschied sich für eine ehrliche Antwort. „Vorerst geht es nur darum, es bewohnbar zu machen. Danach werden wir peu à peu weitersehen. Sie wissen, wie heruntergekommen es ist.“
„Ihre Großmutter würde Ihre Mutter dafür übers Knie legen, wenn sie noch unter uns wäre.“
Faith fiel auf, dass sie wieder bei Lydia angelangt waren. „Kannten Sie meine Großmutter?“
„Ja, sehr gut. Sie sind ihr natürlich nie begegnet.“
„Nein, bei meiner Geburt lebte sie nicht mehr.“
„Sie ist jung gestorben. An Malaria, meine ich.“
„Ich glaube, ja.“ Faith war überrascht, dass sie es nicht mit Bestimmtheit sagen konnte. Die Vergangenheit war bei den Hustons nie ein beliebtes Thema gewesen.
„Sie sollten Ihre Mutter bitten, Ihnen von Millicent zu erzählen“, fuhr Dottie Lee fort. „Ihre Großmutter war eine Frau mit vielen Talenten.“
Alex kam zurück.
„Solange deine Mutter hinschaut, wirst du Titi nichts von deinem Teller geben.“ Dottie Lee reichte ihm Marmelade und Butter.
Alex lud sich genug Marmelade auf den Teller, um bei einem Diabetiker einen Zuckerschock auszulösen. „Wer sind die vielen Männer im Flur? Sie sehen wichtig aus. Vielleicht sogar berühmt.“
„Freunde.“
Faith blickte auf. Dottie Lee zeigte wieder ihr umwerfendes Lächeln, und plötzlich begriff Faith, was ihre Mutter gemeint hatte, als sie sagte, Dottie Lee sei nicht der rechte Umgang.
„Dottie Lee hat mir gerade von deiner Urgroßmutter berichtet“, beeilte Faith sich zu erklären.
„Hat sie in unserem Haus gelebt?“ Alex sprach mit vollem Mund, spuckte aber immerhin keine Krümel.
„Viele Jahre, aber nicht als Erwachsene. Sie ist hier geboren worden, einige Jahre vor mir. In genau dem Zimmer, in das jetzt sicher deine Mutter ziehen wird. Nachdem sie Harold geheiratet hatte, zog Millicent natürlich fort. Ihre Eltern wohnten weiter nebenan, bis sie starben, und kurz darauf sind deine Großeltern eingezogen.“
Faith’ Neugier war geweckt. „Dann müssen Sie auch meine Urgroßeltern gekannt haben. Zumindest ein bisschen.“
„Meine Liebe, ich bin eine unerschöpfliche Informationsquelle. Als Kind habe ich auf Violets Knien gesessen, und sie hat mir das Abc beigebracht. Auch auf dem Schoß ihrer Mutter habe ich viele glückliche Stunden verbracht. Candace war für mich wie eine Großmutter.“
Faith konnte es kaum fassen, dass die Verwandten, die sie nur dem Namen nach kannte, für Dottie Lee Personen aus Fleisch und Blut waren. „Ich hoffe, Sie erzählen mir etwas über sie.“
„Alles zu seiner Zeit.“ Dottie Lee biss in ein Gurkensandwich und kaute gedankenverloren. „Eines verrate ich Ihnen jetzt, denn jeder Mensch braucht eine Überraschung im Leben. Etwas Spannendes.“ Sie schaute Alex an und runzelte die Stirn. „Alex Bronson, braucht deine Mutter etwas Spannendes?“
„Zählt die Entführung ihrer Schwester nicht?“
„Doch, selbstverständlich. Aber ich hatte eher an etwas Aufbauendes gedacht.“
Mariana kam mit einer zweiten Kanne Tee herein. „Hör auf, hier herumzuwirbeln, und setz dich“, befahl Dottie Lee.
Mariana brummte etwas, gehorchte aber. Dottie Lee reichte ihr die Platten, sodass sie zugreifen konnte.
Faith war froh, dass Mariana sich zu ihnen gesellte. Sie fühlte sich stets unwohl, wenn sie bedient wurde.
„Sorry, aber im Augenblick vertrage ich Spannung nur, wenn sie zwischen zwei Buchdeckeln steckt.“
„Sie sind mit dem Gefühl groß geworden, dass es nur unangenehme Überraschungen gibt.“ Dottie Lee goss Sahne in Marianas Tee. „Solche haben Sie genug erlebt, und niemand hat Ihnen beigebracht, dass auch mal unverhofft etwas Erfreuliches passieren kann. Aber ich werde es Ihnen beweisen: Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Sie den Umzug in die Prospect Street als Abstieg betrachten?“
Faith widersprach ihr nicht.
„Andere waren stolz auf das Haus“, fuhr Dottie Lee fort. „Und die Beweise dafür sind noch vorhanden, nur eben gut versteckt.“
Alex’ Augen glänzten. Er hatte Dutzende von Detektivgeschichten verschlungen und glaubte, seinen
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