Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
Vom Netzwerk:
Sie schätzte ihn auf hundertzwanzig Kilo pure Muskelmasse. „Für das kleine Ding? Das trage ich doch auf einer Handfläche.“
    „Bitte nicht.“
    „Sobald es steht, spiele ich Ihnen was Nettes darauf vor.“
    Faith hörte eine Tür zuschlagen und blickte über die Schulter. Dottie Lee stand auf ihrem Rasen; sie trug scharlachrote Gaze-Pumphosen und eine passende, silberbestickte Tunika. Der ganze Wirbel schien ihr Freude zu bereiten.
    „Violets Pianino“, sagte Dottie Lee. „Auf genau diesem Instrument hat sie mir die erste Tonleiter beigebracht.“
    Faith warf ihr einen raschen Gruß zu. „Hat sie gut gespielt?“
    „Liebe Güte, Faith, sie war eine begnadete Musikerin. Ihr Mann hat ihr das Klavier zur Hochzeit geschenkt. Wie traurig, dass Sie so wenig wissen. Spielt Ihre Mutter noch? Sie hat Violets Talent geerbt.“
    „Meine Mutter?“ Faith konnte sich nicht entsinnen, dass ihre Mutter das Instrument je angerührt hatte. Sie hätte nicht einmal sagen können, ob Lydia einen Ton vom anderen zu unterscheidenvermochte. Faith war als Kind zwar in allerlei schönen Künsten unterrichtet worden, aber zu Klavierstunden hatte Lydia sie nie angehalten.
    „Ich schätze, Lydia hat ihre Musik zusammen mit ihrem Geist aufgegeben“, meinte Dottie Lee.
    „Meine Tochter hat als kleines Kind darauf gespielt.“ Faith fragte sich, wohin Remys Musikbegeisterung sich verflüchtigt hatte.
    Die Akademie war zu klein, um mehr als eine musikalische Grundausbildung anzubieten, aber Remy hatte sich nie darüber beschwert. Stattdessen hatte sie mit Turnen und Fußball angefangen, um mit ihren Freundinnen aus der Nachbarschaft zusammen zu sein.
    „Jetzt spielt niemand mehr auf dem Klavier“, erklärte Faith. „Aber es wollte zurück nach Hause.“
    „Natürlich wollte es das. Ich bin froh, dass Sie auf es gehört haben.“ Dottie Lee verschwand wieder im Haus.
    Die Träger standen auf den ersten Stufen, und bislang waren sie nicht ins Schwitzen geraten. Faith wusste nicht, welcher der Männer mehr Mitgefühl verdiente: der untere, auf dem das meiste Gewicht lastete, oder der obere, der sich weit vornüber beugen musste, damit das Pianino nicht kippte.
    Sie wünschte, das Instrument wäre größer, sodass die Packer einen zusätzlichen Mann benötigt hätten. Das Zusehen machte sie nervös, aber weggucken konnte sie auch nicht.
    Mit einem Minimum an Stöhnen und Ächzen schafften die Männer es bis auf die oberste Stufe. Schon den ganzen Morgen waren Schaulustige auf dem Bürgersteig stehen geblieben, vor allem Studenten, die von der Georgetown-Universität zur Wisconsin Avenue wollten. Jetzt hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt,die das Klavier offenbar interessanter fand als die Schaufenster der Läden.
    Faith hörte eine Männerstimme sagen: „Fünf Mäuse, dass der untere Typ es fallen lässt.“
    Als sie sich umschaute, entdeckte sie zwei junge Männer in den T-Shirts des Georgetown-Basketballteams, die ihre Wette per Handschlag besiegelten. Ihr Magen verkrampfte sich.
    Als sie wieder zu den Packern blickte, waren diese in ihrer Position erstarrt. Dann schob der Fahrer langsam die Hände tiefer, um das Klavier höher anheben zu können. Das Pianino begann sich zu neigen, und der Fahrer stieß einen Fluch aus. Faith keuchte vor Anspannung.
    Aus der Menge löste sich ein Mann und eilte zu Hilfe. Er war groß und muskulös, und bevor einer der Träger etwas einwenden konnte, hatte er das Klavier schon mit dem Brustkorb und den Knien stabilisiert. Dann beugte er sich vorsichtig vor und schob seine Hände unter das Instrument, um den Fahrer zu entlasten. Der konnte nun das Pianino ein wenig anheben und die nächste Stufe erklimmen. Noch ein Schritt, und das Klavier war auf dem Treppenabsatz, von wo die Männer es durch die Tür manövrierten.
    „Also, wenn der Typ nicht gekommen wäre, hätten sie es fallen lassen“, meinte der Wettverlierer zu seinem Freund.
    „Du schuldest mir fünf Mäuse.“
    Faith blieb nicht lange genug stehen, um zu beobachten, ob die Wettschuld beglichen wurde. Sie ging die Treppe hinauf und betrat das Wohnzimmer in dem Augenblick, als die drei Männer das Klavier an der vorgesehenen Wand absetzten. Sobald der Fremde sich aufgerichtet hatte, sprach sie ihn an.
    „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.“ Sie streckte dieHand aus. „Ich bin Faith Bronson, und das ist das Klavier meiner Urgroßmutter.“
    Der Mann wischte sich die Hände an den Beinen seiner abgeschnittenen,

Weitere Kostenlose Bücher