Das Haus in Georgetown
als sie aus Lydias Kritik so etwas wie ein verkapptes Kompliment heraushörte.
Sie erzählte ihr etwas, was sie eigentlich für sich hatte behalten wollen. „Ich habe David angerufen, um ihn über Remys Verschwinden zu informieren. Aber Ham ging an den Apparat.“
„Reizend. Hast du ihm mitgeteilt, mit wie viel Weichspüler er Davids Unterhosen waschen soll?“
Faith konnte nicht anders, sie musste lachen.
Auch Lydia lächelte. „Ich kann richtig gemein werden. Du durchschaust mich nicht halb so gut, wie du meinst.“
Faith ergriff Lydias Hand. „Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, dich kennen zu lernen.“
Ihre Mutter erwiderte den Händedruck nicht, zog ihre Hand aber auch nicht weg. „Ich habe mich mit meiner Mutter gut verstanden. Irgendwann wirst du dich auch mit Remy wieder verstehen.“ Den nächsten Satz äußerte sie nicht. Er hätte lauten sollen: Vielleicht werden auch wir beide eines Tages gut miteinander auskommen.
Faith spürte, dass sie so weit gekommen waren, wie es ihnen derzeit möglich war. „Ham meinte, er würde David so schnell wiemöglich verständigen. Er hat mir einen kleinen Vortrag darüber gehalten, dass David schließlich Remys Vater ist. Als ob ich das nicht wüsste.“
„Na, dank ihrer Rückkehr bleibt uns immerhin sein Besuch erspart.“
Wie in einem Broadway-Stück klopfte es auf dieses Stichwort hin an die Haustür. „Du hast ihm doch wohl Entwarnung gegeben?“ fragte Lydia.
„Ich hab’s ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen.“ Faith stand auf. „Ich hoffe, er hat die Nachricht abgehört.“
Als sie zum Fenster hinausschaute, wusste sie, dass er es nicht getan hatte. Sie öffnete die Tür und baute sich steif im Rahmen auf, sodass er nicht eintreten konnte. „Du hättest deine Anrufe abhören sollen. Sie ist wieder da.“
Die Sorgenfalten wichen von seiner Stirn. „Wo war sie?“
„Sie behauptet, sie sei spazieren gegangen, aber sie war vom Frühstück bis jetzt eben weg. Das ist ein langer Spaziergang.“
„Und warum hast du mich dann nicht früher informiert?“
„Wir haben erst gegen Mittag gemerkt, dass sie weg war.“
„Du hattest keine Ahnung, dass sie weg war?“
Faith hörte das Entsetzen in seiner Stimme – und noch etwas. Einen Vorwurf. Sie giftete ihn an: „Nein, David. Ich habe hier noch keine Überwachungskamera installiert.“
„Ich will dir nichts vorwerfen, Faith, aber wo dachtest du, dass sie steckt?“
„Oben in ihrem Schlafzimmer, hinter verschlossenen Türen. Wo Teenager eben die meiste Zeit stecken.“
„Und du hast nicht nach ihr gesehen?“
„Ich habe nie einen Grund gehabt, sie zu kontrollieren. Und ich hoffe, das wird auch so bleiben.“
„Was sie da gemacht hat, ist keine Kleinigkeit. Es muss doch Warnzeichen gegeben haben ...“
„Wenn du den Grund für ihr merkwürdiges Verhalten suchst, geh doch bitte in die Gästetoilette und guck in den Spiegel.“
„ Dafür kannst du mir nicht die Verantwortung zuschieben.“
Sie machte sich mit einer Drohung Luft. „David, du hast das Recht verwirkt, mir zu erklären, wie ich Remy erziehen soll. Du bist freiwillig aus dieser Familie ausgeschieden, und ich werde nicht dulden, dass du mir aus sicherer Entfernung vorschreibst, wie ich mit den Kindern umzugehen habe. Du hast keine Ahnung, wie Teenager so sind.“ Sie musste nicht hinzufügen, dass er es wahrscheinlich auch nie in Erfahrung bringen würde. Das wusste er selbst nur zu gut.
Eine ganze Weile schwieg er, aber als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme sanfter. „Du scheinst sehr verzweifelt gewesen zu sein. Ich war auch verzweifelt und habe mich hilflos gefühlt. Das hat wohl ziemlich an unseren Nerven gezerrt.“
Zitternd atmete sie einmal kräftig aus und entschied sich dann, ihn hereinzubitten.
Davids Blick fiel auf Lydia, die noch auf dem Sofa saß. „Ein andermal vielleicht.“ Er wollte sich schon abwenden, aber sie berührte seinen Arm – gerade lang genug, um ihn innehalten zu lassen.
„Alex ist oben. Warum gehst du nicht hoch und sagst Hallo? Marley hilft ihm beim Auspacken. Vielleicht würde er gerne mit dir irgendwo ein Eis essen.“ Sie schaute kurz auf die Uhr. „Besser ihr esst gleich etwas Anständiges, wie’s aussieht. Er dürfte froh sein, wenn er hier eine Weile rauskommt.“
In Davids Augen schimmerte Hoffnung. „Und Remy?“
„Remy hat heute Nachmittag Hausarrest.“
„Gut so.“
Sie wollte ihn daran erinnern, dass sie seinen Segen nicht brauchte, aber
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