Das Haus mit der grünen Tür
früheren Mannes. Sie ist tot.«
»Ja, stellen Sie sich vor, das habe ich gehört.« Sie brach nicht weinend zusammen, aber sie schüttelte sich auch nicht vor Lachen. Der zufriedene Ausdruck um ihren Mund sagte trotzdem mehr als genug.
Ich war mir noch nicht sicher, worauf ich hinauswollte. Eigentlich wußte ich nicht, was ich von ihr hören wollte. Ich tastete mich vorsichtig vor: »Ist – äh – haben Sie jemals diese – Frau getroffen?«
»Sie – die Neue? Nie! Darauf können Sie sich verlassen. Ich habe mich nie in ihre Nähe begeben.« Die etwas geschraubte Ausdrucksweise wirkte ein wenig pathetisch. Es war, als würde sie mit beißender Ironie versuchen, einen Abstand zu etwas zu schaffen, das nur allzu nah war.
Peter Grande schnaubte laut und streckte sich nach einer Scheibe Ziegenkäse.
Ich sagte: »Darf ich fragen – wie lange es her ist, seit Sie und Ihr Mann – auseinandergingen?«
»Ich werde es Ihnen sagen, Herr – wie war das – Veum? Ich werde Ihnen ein offenes Geheimnis verraten. William Moberg ist ein Schwein. Ein altes Schwein.«
Ich blickte zu Peter Grande hinüber. Er grinste offen. Er hielt das für eine treffende Bezeichnung für seinen Vater.
Frau Grande fuhr fort: »Ich habe es lange mit ihm ausgehalten – aus Rücksicht auf meinen lieben Peter.« Sie sandte ihrem Sohn einen warmen Blick. »Aber nach der Geschichte mit der Sekretärin gab ich auf. Da brach ich endgültig mit ihm. Ich konnte ihm keine Sekunde mehr vertrauen. Eine Sache ist es, eine angeschlagene Beziehung aus Rücksicht auf die Kinder – das Kind – aufrechtzuhalten.« Ein erneuter Blick zu Peter. »Eine andere Sache ist, daß man einfach nicht zulassen kann, daß ein kleines Kind in einem Zuhause aufwächst, in dem die Liederlichkeit zur Tugend erklärt wird, in dem Hurerei und Untreue zum täglichen Brot geworden sind.«
Ich fiel ein und sagte: »Die Sekretärin. Meinen Sie seine jetzige?«
»Nein, obwohl ich nicht daran zweifle, daß er auch von der nicht seine dreckigen Finger läßt. Dies war – die vorige, glaube ich. Es ist bald – es muß wohl schon so acht, neun Jahre her sein. Sie hieß – ja, wie hieß sie denn noch …«
Ich sagte nicht ein Wort, während ich darauf wartete, daß ihr einfiel, wie sie geheißen hatte. Sie schloß: »Nein, ich erinnere mich nicht daran, wie sie hieß. Es spielt ja auch keine Rolle. Solche Frauen könnten genausogut namenlos sein, glauben Sie mir. Aber sie hat jedenfalls geheiratet – das zeigt ja wohl, was für ein Mensch sie war –, sie heiratete und hörte bei William auf – einen Verbrecher, einen von Williams eigenen Klienten! Sie können sich also denken …«
Ich war im Stuhl festgefroren. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Ich sagte, so leise, daß ich es fast selbst nicht hörte: »Kvam? Henning Kvam? Hat sie den geheiratet?«
Ihr Gesicht leuchtete auf. »Ja, der war’s. Kate sowienoch, Strom oder Gronn oder so was – aber hinterher war sie Frau Kvam. Frau! Ich erinnere mich noch so genau an das Hochzeitsfoto in der Zeitung. Es war wirklich eine finstere Type – dieser Mann … Und dann sie, wie eine Hure sah sie aus. Ein schönes Paar. Sie hätten sie sehen sollen!«
Sie versank plötzlich in Gedanken. Und ich hatte genug mit meinen eigenen zu tun. Peter Grande biß in eine Tomate, während er mich unter schläfrigen Augenlidern hervor betrachtete. Er hatte große, weiße und kräftige Zähne, und seine Augen waren so blau wie alte Tintenflecken.
Ich sagte. »Tja, dann will ich nicht – ich glaube, ich will nicht weiter stören.« Ich erhob mich.
Frau Grande sah zu mir auf. »Diese Frau – die ermordet wurde – war sie nicht ein bißchen …« Sie setzte einen Zeigefinger gegen ihre Stirn und zeichnete kleine Kreise in die Luft. Sie sah mich hoffnungsvoll an.
Ich sagte: »Nein. Das glaube ich nicht. Davon habe ich nichts gehört.«
Sie sah enttäuscht aus. »Peter – sei so gut und begleite Herrn Veum hinaus. Ich bin jetzt müde. Ich habe heute nacht nicht gut geschlafen. Oh, es ist ein trostloses Leben.« Sie sprach nicht mit mir, sondern mit dem Frühstückstisch. Ich hatte ihr nichts mehr zu bieten, und sie sah nicht auf, als ich ging.
Peter Grande ging mir voraus die Treppe hinunter. Auf der Mitte blieb er stehen und drehte sich um. Er pumpte den Brustkasten etwas auf, um mir zu zeigen, wie stark er war. »Mama mag es nicht, an die – Zeit erinnert zu werden«, sagte er. »Sie wird heute den ganzen Tag nicht sein wie sonst.
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