Das Hausbuch der Legenden
er Johannes, der vierzig Tage und vierzig Nächte im Meer getrieben hatte. Sie stärkten sich im nächsten Dorf mit Brot und Wasser und zogen dann
zusammen hinein nach Ephesus. Johannes wies seinen Jünger an, niemandem ihren Namen und den Zweck ihrer Reise zu sagen. Sie setzten sich am Platz der Artemis vor den Eingang eines Bades. Dort herrschte die rauhe und gewaltige
Bademeisterin Romana, die ihre Badeknechte derart mit Schlägen traktiert hatte, daß keiner bei ihr geblieben war. Als sie die beiden armen Schiffbrüchigen sah, bot sie ihnen Arbeit bei wenig Brot und noch weniger barem Lohn an. Johannes mußte ihr als Heizer, Prochoros als Wasserträger dienen. Aber Johannes konnte mit dem Ofen nicht richtig umgehen. Die Badegäste beschwerten sich, und Romana prügelte und
beschimpfte ihn. Prochoros wurde rot vor Zorn. Der Apostel aber tadelte ihn deswegen und predigte ihm Geduld. Die Bademeisterin nutzte die Rechtlosigkeit der Fremden aus und bezeichnete sie einem Sachwalter gegenüber als Sklaven, die ihren Eltern vor Jahren entlaufen, jetzt aber wieder eingefangen worden seien. Die Kaufbriefe seien
verlorengegangen. Der Sachwalter möge für Ersatz dieser Papiere sorgen. Der Sachwalter, der Romanas Liebhaber war, ging nur zögernd auf diesen Handel ein, aber der Apostel machte es ihm leicht. Er unterschrieb eine Urkunde, nach der sie flüchtige Sklaven waren. Die drei glaubwürdigen Zeugen waren schnell gefunden.
Bald wurden die beiden jedoch als Christen erkannt. Wunder bewiesen den Götzenanbetern die Allmacht des Christengottes.
Trotzdem wurde Johannes mit vielen anderen vom
Landpfleger des römischen Kaisers Domitian als Feind der Götter verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Die von bösen Geistern aufgehetzte Menge forderte den Tod des Apostels.
Einer aus dem Volk wollte seine Landsleute dazu anstiften, den Johannes und den Prochoros ohne Urteil und Recht auf der Stelle zu töten, weil sie sich der Zerstörung des
Artemistempels schuldig gemacht hätten. Die Menge aber schleppte die Angeklagten vor den Landpfleger, der ihnen keine Schuld nachweisen konnte und sie aus der Stadt wies. Da klagten die Hellenen und die Juden der Stadt Ephesus beim Kaiser und erreichten die Verbannung der beiden Männer auf die Insel Patmos. Hundert Mann schifften sich ein, um die zwei gefesselten Jünger des Herrn sicher auf die Insel zu bringen. Die saßen in der Mitte des Schiffes und konnten sich nicht vom Fleck rühren. Ihre Nahrung bestand aus sechs Unzen Brot, einem Maß Wasser und einem Maß Essig je Tag. Die Mannschaft aber lebte herrlich und in Freuden. Am dritten Tag hielten die Seeleute ein lärmendes Gelage, tranken reichlich Wein, spielten und tanzten. Dabei fiel ein junger Mann über Bord. Sein Vater erhob ein lautes Klagegeschrei und wollte sich seinem Sohn nachstürzen. Aber die anderen hinderten ihn daran. Nun weinten alle, nur Johannes nicht. Die Männer stellten ihn deshalb zur Rede. Darauf fragte Johannes jeden von ihnen, an welchen Gott er glaube. Jeder nannte einen anderen, und Johannes fragte weiter, warum keiner von den vielen Göttern helfen könne. Darüber vergingen drei Stunden.
Johannes hatte Mitleid mit dem Vater. Er ließ sich aufhelfen, trat an den Rand des Schiffes und gebot dem Meer, den Toten wieder herzugeben. Da kam ein Sturm auf, der das Schiff in eine andere Richtung zwang, und plötzlich warf eine große Woge den noch lebenden Jüngling vor die Füße des Apostels.
Da fiel die ganze Besatzung vor ihm in die Knie und pries seinen Gott als den wahrhaftigen Gott. Man nahm den
Gefangenen die Fesseln ab, und sie erhielten von nun an die gleiche Verpflegung wie die Mannschaft. In der Nacht hatte das Schiff noch einen schweren Sturm zu bestehen. Nach drei Tagen und drei Nächten legte es dann im Hafen von Epidaurus an, wo ein alter Feind des Apostels wohnte. Sobald dieser hörte, wer mit den Soldaten an Bord war, kam er auf das Schiff und beschimpfte Johannes und Prochoros. Einer der
kaiserlichen Gardisten gebot Ruhe und wies ihn vom Schiff.
Daraufhin wiegelte der Widersacher die Einwohner von Epidaurus auf, warnte sie vor dem Magier, der über den Ort nur Unheil bringen werde, und wollte sie dazu bringen, das kaiserliche Schiff in Brand zu stecken. Als die Einwohner erfuhren, daß Johannes nicht in Epidaurus bleiben solle, gaben sie das Vorhaben widerstrebend auf. Sie luden aber die Soldaten zu sich ein und bewirteten sie reichlich. Bei dieser Gelegenheit ließen sich diese
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