Das Herz der Drachen (Eiswandlerin) (German Edition)
musste er nur
so viel Kraft haben, dachte Kate verzweifelt und schon wieder stiegen
ihr die Tränen in die Augen. Wütend blinzelte Kate sie weg,
als sie ihr die Sicht vernebelten. Sie hatte sich doch geschworen,
dass sie es nie wieder zulassen würde. Nie wieder. Nie wieder.
Sie brachte all ihre Kraft auf.
Ein letztes Mal,
stieß sie ihre Hände feste gegen seine Brust. Unerwarteter
Weise schrie er schmerzerfüllt auf und schubste sie von sich.
Sie schlug hart mit
der Schulter, gegen den nächsten Baum und fiel zu Boden. Er
fluchte laut und krümmte sich vor Schmerzen. Kate wusste nicht
recht, was passiert war. Sie konnte es sich nicht erklären, doch
es war ihr egal und bevor noch etwas anderes passieren konnte,
rappelte sie sich auf. Den schmerzenden Arm umklammernd, rannte sie
los, tief in den Wald hinein. Sie blieb nicht stehen. Sie drehte sich
nicht um. Sie rannte und jedes Mal wenn sie stürzte, stand sie
auf und rannte weiter. Sie rannte und rannte, so lange, bis sie nicht
einmal mehr wusste, in welche Richtung das Lager der Artisten lag.
Dann sackte sie
kraftlos auf dem Boden zusammen und weinte stumm, bis keine Tränen
mehr kamen.
Sie spürte den
Schmerz in ihrem Arm nicht.
Den einzigen Schmerz
den sie überhaupt fühlte, war der in ihrer Seele. Alte
Wunden waren aufgesprungen und mischten sich mit den Neuen. Sie
brannten in ihrer Brust und sie krümmte sich zusammen, um diesen
Schmerz zu ersticken. Nach einiger Zeit ließ es etwas nach.
Sie lehnte sich an
einen Baumstamm und starrte in die Nacht. Es hatte schon vor einer
ganzen Weile angefangen zu schneien, doch es störte Kate nicht.
Im Gegenteil, die Schneeflocken waren wie eine riesige weiße
Decke, die sie vor den Augen des Waldes schützte. Sie umhüllten
Kate, als wollten sie ihr Schutz bieten. Sie umarmten sie tröstend
und wischten den Schmutz von ihrer brennenden Haut.
Erst jetzt wurde ihr
bewusst, dass sie entkommen war. Ein Wunder hatte sie vor dem
Schlimmsten, was es auf der Welt gab, gerettet. Wieso hatte es sie so
sehr mitgenommen? Lag es nur daran, dass es in einer anderen Welt
passiert war, in einer Welt, in der sie es nicht für möglich
gehalten hatte, oder lag es daran, dass sie nicht gewusst hatte, dass
es passieren würde? Dieses Mal war sie selber schuld. Ihre
eigene Dummheit hatte sie in diese Situation gebracht.
Ihre Beine waren
komplett mit Schnee bedeckt. Sie verbarg das Gesicht in den Händen.
Wie sollte sie die Vergangenheit vergessen, wenn diese sie immer
wieder einholte.
Kate nahm etwas, von
dem Schnee, in die Hände und ließ ihn zu Wasser werden.
Die noch nicht ganz erloschene Wut, machte es ganz leicht. Sie spülte
sich ihren Mund aus, solange bis der ekelhafte Geschmack seiner
Lippen fast verschwunden war.
Was sollte jetzt aus
ihr werden, dachte sie und strich mit den Fingern über den Riss
in ihren T-Shirt. Ihre Jacke hatte sie zurückgelassen.
Es war ihr egal, sie
fror nicht, weder an den nackten Armen, noch an den Beinen, die
bereits tief im Schnee versunken waren.
Das Einzige was kalt
war, war ihr Herz. Ein Eisdorn steckte darin fest. Zumindest fühlte
es sich so an.
Doch auch das war
ihr egal. Was war noch wichtig, nachdem sie erneut versagt hatte?
Versagerin, Versagerin, Versagerin, wiederholte sie das Wort in ihrem
Kopf und der Riss in ihrer Kleidung schien sie zu verspotten. Selbst
der Wind, verhöhnte sie mit seiner raschelnden Stimme.
Wie hatte sie nur
jemals annehmen können, sie würde ein neues, besseres Leben
beginnen können. Das war der größte Unsinn, den sie
sich je in ihrem schlechten Leben ausgedacht hatte. Wäre sie nur
niemals aus dem Waisenhaus geflohen, dann hätte ihr Leben
wenigstens den Sinn, das noch unbeschmutzte Leben der Kinder zu
schützen, dachte sie traurig und wieder kamen ihr die Tränen.
Wie war sie nur
darauf gekommen, diesen hohen Preis zu zahlen, für eine Zukunft,
die ebenso ungewiss war, wie leichtsinnig. Wenn sie die Möglichkeit
gehabt hätte jetzt zurückzugehen, hätte sie es wohl
getan. In dieser Sekunde vermisste sie nichts mehr, als die kleinen
Hände der Kinder, die sie in besonders schweren Zeiten getröstet
hatten.
Dann hörte sie
ein Geräusch. Für den Bruchteil einer Sekunde, setzte ihr
Herzschlag aus. Er kam, er hatte sie gefunden, sie musste fliehen,
bevor er sie entdeckte.
Doch ein neuer
Gedanke, machte sich in ihr breit und verdeckte alles Andere, jedes
Gefühl. Es war ein Gedanke, von Hass angetrieben. Er sollte
büßen. Sie wollte, dass er sie
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