Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition)
für ihren Geschmack noch zu lange zu dauern. Ich weinte wie ein Baby, als sie mich darum bat. Das könne ich ihr nicht antun, sagte ich, ich könne es einfach nicht, und sie weinte auch, denn da wusste sie, dass sie mir wirklich etwas bedeutete, und sie wusste auch, dass ich sie verlassen würde, bevor sie starb, aber sie gab mir das Geld trotzdem.
»Ohne Verpflichtungen«, sagte sie.
Damals wusste ich nicht, wie viel es war.
»Sieh es dir nicht an, bevor du gegangen bist«, bat Blossom mich.
Ich glaube nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, wenn es nur zehn Dollar gewesen wären.
Denn ich liebte diese Dame wirklich.
Ich tat, was ich konnte, bevor ich ging. Ich war da, als sie ihr letztes offizielles Schreiben an die Leute, die sie finden würden, aufsetzte, in dem sie erklärte, dass sie sterben wollte, dass sie genug an ihrem Krebs gelitten hätte und dass ihr niemand dabei geholfen hätte. Dabei musste ich wieder schluchzen, aber dennoch half ich ihr, soweit ich es ertragen konnte. Ich wusch sie und machte ihr die Haare und ihr Make-up so, wie sie es gern hatte, und dann gab es nichts mehr, was ich noch für sie tun konnte, kein Essen, das ich ihr machen konnte, denn sie konnte gar nichts mehr essen.
Und ich schluchzte wieder, als ich zum letzten Mal zu Blossoms Haustür hinausging, und ich nehme an, das war der Augenblick, als ich wusste, warum.
Weil ich nicht mehr Cal der Hasser gewesen war, seit ich sie getroffen hatte.
Und als ich sah, was sie mir gegeben hatte, da schluchzte ich, glaube ich, noch ein bisschen mehr, wie eine gottverdammte Heulsuse.
Und dann trocknete ich mir die Augen, stieg im Bohemian Hotel an der Uferpromenade ab, legte den Umschlag in den Safe, ging in der River Street einkaufen, kaufte mir einen Geldgürtel und ein paar anständige Kleider, und dann ging ich zurück und trank bis zum Umfallen auf Blossom van Heusen.
Und am nächsten Tag verließ ich Savannah.
41
6. Mai
Sie hatten noch etliche schwere und anstrengende Tage und Nächte vor sich, bis sie den Killer schnappten, das wusste Sam. Alle legten sich mächtig ins Zeug, um die Arbeit zu erledigen, die mit jedem neuen schweren Gewaltverbrechen einherging, erst recht mit einem Doppel- und vermutlich sogar Dreifachmord, während gleichzeitig die Suche nach dem Hauptverdächtigen weiterging.
Nicht zum ersten Mal – und damals hatten sie ihn fast geschnappt.
»Fast« war nicht gut genug.
Da musste man nur Andrew Victor fragen.
Da musste man nur seine Freundin Gail und seine Schwester Anne fragen, die beide gestern angerufen hatten, in der Hoffnung, Neues zu erfahren, wobei keine der beiden Frauen den Detectives Vorwürfe wegen ihres ausbleibenden Erfolgs gemacht hatte.
Es gab nichts, was sie ihnen sagen konnten.
Sie hatten die Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten. Auf der Webseite des Departments stand eine Presseerklärung, und Fox, CNN, 7 News, CBS 4 und Channel Six, dazu die lokalen spanischen Sender, Channel 51 und 23, brachten alle den Beitrag.
Eine Flut von Anrufen ging ein.
Viele davon, wie immer, von Verrückten, die die Zeit und Arbeitskraft der Polizei vergeudeten, indem sie falsche Informationen meldeten.
Auch andere Anrufe, von braven Bürgern.
Die sie bislang noch nicht weiterbrachten.
Es war auch keine große Hilfe, dass ihre Fotos von Cooper veraltet waren und sich unmöglich sagen ließ, wie er sein Aussehen verändert haben könnte. Und falls (und es war noch immer ein großes falls ) es Cooper war, den Grace am 19. April im La Tienda Fiesta gesehen hatte, dann lieferte ihnen das auch keine neuen Anhaltspunkte.
»Männlich, durchschnittlich groß, schlank, silberblondes Haar.«
Jemand, der vielleicht von hinten an sie herangetreten war und die Frechheit besessen hatte, mit den Fingern ihren Nacken zu streifen.
Könnten Finger gewesen sein. Nicht einmal das war sicher.
Wenn die neuen Morde auf Coopers Konto gingen – und in dem Punkt hatte zumindest Sam kaum noch Zweifel seit der schaurigen gestrigen Entdeckung –, dann bezweifelte er, dass er noch immer dasselbe silberne Kostüm von Kopf bis Fuß verwenden würde, in dem er damals als dreister Killer über die Uferpromenade von South Beach stolziert war. Auch wenn Cal der Hasser – falls er es war, der ahnungslose Männer wie Andy Victor in sein Horrornetz lockte – vielleicht noch immer die Rolle des »Freudenjungen, Freudengebers« spielte, über die er in seinen Episteln geschrieben hatte.
Am Donnerstagnachmittag um fünfzehn Uhr
Weitere Kostenlose Bücher