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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Floortje, es ist so. Also … Ich … ich fürchte, ich bin nicht sonderlich begabt, was Freundschaften angeht.« Sie presste den Mund zusammen.
    Floortje lachte leise und sah Jacobina verschmitzt an. »Ich fürchte, ich auch nicht!«
    Jacobina musterte sie fragend. In ihrer Vorstellung war Floortje eines dieser besonders niedlichen kleinen Mädchen gewesen, die stets im Mittelpunkt standen, umringt von anderen, die sich um den Platz der besten Freundin drängelten. Eines jener Mädchen, die kichernd zusammengluckten, in ihren duftigen Kleidern so hübsch anzusehen und vor Lebenslust, vor Sorglosigkeit und einer leichtherzigen Seelenverwandtschaft vibrierend wie Schmetterlinge.
    Die Heiterkeit auf Floortjes Zügen verlosch; stattdessen schob sich ihr zierliches Kinn vor, und um ihren Mund, um ihre Brauen zuckte es. »Bei uns zu Hause …« Sie zögerte, und als sie fortfuhr, klang ihre Stimme aufgeraut. »Bei uns war manches anders. Anders jedenfalls, als es sich die braven Bürger von Leeuwarden für ihresgleichen vorstellten.«
    »Das rote Kleid?«, riet Jacobina. Wenn sie sich ihre eigene Kindheit in Erinnerung rief, wenn sie an die kleinen Mädchen in den Straßen Amsterdams dachte oder an Kaatje, Tressje und Lijsje hier an Bord, sah sie nur Kleidchen in gedeckten Farben vor sich, in dunklem Blau, in Grau, Braun und Schwarz, allenfalls noch in Weiß.
    Floortjes Mundwinkel krümmten sich aufwärts, eher bitter denn vergnügt, und sie nickte bedächtig. »Das rote Kleid. Das türkisblaue. Das leuchtend grüne. Ich hatte irgendwie immer die falschen Kleider an. Und auch sonst …« Sie blies den Atem aus und klopfte unruhig mit dem Handballen auf die Reling.
    Die Bürger von Leeuwarden hatten sich die Mäuler zerrissen über Claas Dreessen, den schmucken Vertreter von Kurzwaren, der auf der Durchreise eine Tochter der Stadt gefreit und flugs geheiratet hatte und sich mit einem Laden, vom Geld des Schwiegervaters bezahlt, niederließ. Der sein Töchterchen in unmögliche Kleider steckte und es verzog, indem er ihm einflüsterte, etwas Besonderes, etwas Besseres zu sein; der hochfliegende Pläne hegte von einem größeren Laden, einem eleganteren Leben in Amsterdam.
    »Jedenfalls«, fuhr Floortje angespannt fort, »hielten es all die besorgten Mütter für besser, wenn ihre kleinen Mädchen nicht mit der Tochter von Claas Dreessen spielten.« In ihren Augen glitzerte es. »Wer weiß, welche Flausen sie sonst mit nach Hause gebracht hätten! Seltsam – den Zwirn, die Knöpfe und die Spitzen, die es bei uns im Laden gab, die haben sie trotzdem immer gern gekauft.« Die Iris ihrer Augen verdunkelte sich, und ihr Blick glitt ins Leere.
    Sie sah sich wieder auf dem Hof der Mädchenschule stehen, am ersten Tag nach den Sommerferien, in ihrem schönen neuen Kleid aus steifem grünem Stoff, der in der Sonne glänzte, eine passende große Schleife im dunklen Haar, den Tornister zu ihren Füßen und in den Händen eine Schachtel mit Schokolade, die sie einladend hochhielt. Erwartungsfroh lächelnd hatte sie zu den anderen Mädchen hinübergesehen, die unter der Linde versammelt standen und ihr teils neugierig und verlangend, teils feindselig entgegenblickten. Mädchen, die über den Sommer in die Länge geschossen, und solche, die noch recht klein waren, zierliche, schmale und pummelige Mädchen, alle in den gleichen dunkelblauen Kleidchen, weißen Schürzen und dicken, schwarzen Strümpfen, das semmelblonde, flachshelle oder strohgelbe Haar zu zwei strammen Zöpfen geflochten. Eines der größten Mädchen war auf dem Absatz herumgewirbelt, dass seine Zöpfe flogen, und davonmarschiert, quer über den Hof auf das Schulhaus zu, und ein Mädchen nach dem anderen war ihm gefolgt, bis der Platz unter der Linde leer war. Die Schulglocke hatte geschrillt und zur Stunde gerufen, Stimmengewirr und Fußgetrappel aufleben lassen, dann war mit einem Schlag Stille eingekehrt. Das Lächeln auf dem Gesicht eingefroren, hatte Floortje auf dem Hof ausgeharrt, unfähig, sich zu rühren, und Tränen waren aus ihren Augen getropft.
    Bedrückt sah Jacobina, wie Floortjes Augen feucht schimmerten; sie fühlte sich hilflos und auf schmerzliche Weise an ihren eigenen Kummer erinnert.
    »Das tut mir sehr leid«, flüsterte sie und hörte selbst, wie schwach und dahingesagt diese Worte klangen. Floortje nickte, einen festen Zug um den Mund.
    »Gibt Schlimmeres«, presste sie hervor und rubbelte gedankenverloren mit dem Daumen über die Reling. Einige

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