Das Herz der Kriegerin
und merkte erst einige Atemzüge später, dass Sayd schon wieder neben mir aufgetaucht war.
»Du scheinst einen Freund gefunden zu haben«, bemerkte er spöttisch, als sich unsere Blicke trafen.
»Ja, das habe ich wohl. Und ich bin froh, dass ich sein Leben und das seiner Schwester bewahren konnte.«
Ein mildes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich werde zu Allah beten, dass die beiden noch lange etwas von diesem Geschenk haben.« Kurz verweilte sein Blick auf der kleinen Familie und ich konnte mir diesmal ausnahmsweise denken, was hinter seiner Stirn vor sich ging. Wahrscheinlich fürchtete er, dass diese Familie nicht weit kommen und anderen Söldnern zum Opfer fallen könnte. Aber daran wollte ich besser nicht denken und vertraute ihr Wohl auch meiner Göttin Freya an. Sie und Sayds Gott würden die beiden schon beschützen.
Wenig später reisten wir weiter, wobei abwechselnd Sayd, David und Belemoth die Frau auf ihrem Pferd reiten ließen. Ich nahm abwechselnd den kleinen Michel und seine Schwester zu mir und erzählte ihnen Geschichten, damit ihnen die Reise nicht zu lang wurde.
Kurz nachdem wir den Wald hinter uns gelassen hatten, kamen wir in eine kleine Ortschaft, in der wir zwei Pferde für Marie und ihre Familie kauften. Ich sah, wie Sayd Marie ein paar Goldmünzen zusteckte und war schon wieder von Stolz auf ihn erfüllt.
»Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll«, sagte Marie, während sie uns allen die Hände küsste, eine Geste, die mich peinlich berührte, denn war es nicht selbstverständlich gewesen, was wir getan hatten?
»Schließ uns in deine Gebete ein, das wird reichen«, entgegnete Sayd, während er der Frau über den Kopf strich und sich dann dem Mann zuwandte. »Gib gut auf sie acht. Gott möge euch beschützen.«
»Und Euch«, entgegnete Romuald, schüttelte uns allen noch einmal die Hände und zog mit den Seinen von dannen.
Bevor wir ebenfalls wieder losreiten konnten, stockte Sayd.
»Was ist?«, fragte ich ihn. Hin und wieder überkamen ihn angesichts einer Ortschaft oder eines Menschen Visionen, die ihn für einen Moment erstarren ließen – auch mitten im Gefecht war das schon geschehen und äußerst gefährlich für ihn gewesen.
Dass er nicht sofort antwortete, schien meine Vermutung zu bestätigen. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf, dann zog er sein Pferd herum. »Nichts. Ich meinte zunächst, etwas gespürt zu haben, aber es hat sich wieder verzogen.«
»Hattest du eine ungute Vorahnung wegen der Familie?«
»Nein, es … war etwas anderes. Reiten wir, ich bin sicher, dass die Leute in Sicherheit sind.«
Das hoffte ich, und als ich bemerkte, dass der kleine Michel sich auf dem Pferd des Vater noch einmal umdrehte und mir zuwinkte, stiegen mir Tränen in die Augen …
8
N ach einigen Wochen erreichten wir Rouen. Von den Engländern war noch nichts zu sehen, doch eine merkwürdige Stimmung lag über der Stadt. Es war, als würde der allgegenwärtige Nebel sämtliches Licht verschlucken, sämtliches Leben ersticken. So trostlos hatte auch der Ort ausgesehen, an dem wir zum ersten Mal auf die Dschinn getroffen waren.
»Was meinst du?«, wandte sich David an Sayd. »Hier stinkt es förmlich nach Dschinn.«
»Aber ich glaube nicht, dass sie hier sind. Jedenfalls nicht direkt in der Stadt.«
»Aber in der Nähe«, setzte ich hinzu.
»David hat recht, es stinkt hier wirklich nach ihnen.« Belemoth blickte sich um. Als er die Augenbrauen zusammenzog, folgte ich seinem Blick und entdeckte hinter einer Hausecke ein paar Kinder, die uns neugierig beäugten. Allerdings schienen sie nicht im Auftrag von jemandem zu handeln, sie wollten wohl einfach nur wissen, was es mit dieser seltsamen Truppe Fremder auf sich hatte – besonders weil einer der Fremden sich wirklich sehr von den Menschen hier unterschied.
»Es muss an deiner Nase liegen«, witzelte David, als die Kinder rasch wieder hinter der Hausecke verschwanden. »Wahrscheinlich haben sie noch nie solch einen riesigen Zinken gesehen.«
»Nicht frech werden, Rotschopf, sonst kannst du den nächsten Ritt unter meinem Sattel genießen.«
»Alles nur leere Versprechungen!«, winkte David lachend ab. »Aber wenn dir nach Kämpfen ist, finden wir sicher ein Plätzchen.«
»Wir sollten unsere Kräfte besser für die wirklichen Kämpfe aufheben«, sagte Sayd. »Reiten wir dort entlang, wenn mich nicht alles täuscht, habe ich dort das Schlagen eines Schmiedehammers vernommen.«
Wir bogen in eine kleine
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