Das Herz der Nacht
beantwortete das Stirnrunzeln der Tochter. »Graf Báthory kam auf Empfehlung von Fürstin Kinsky, um bei deinem Bruder das Klavierspiel zu erlernen«, sagte er schnell.
»Das ist wahr«, bestätigte András, »doch wie ich höre, hat Ihr Bruder mit seinen zahlreichen Engagements jeden Abend zu tun. Sind Sie auch mit Auftritten so viel beschäftigt, Fräulein Wallberg?«
»Nein, ich habe keine Auftritte, wo denken Sie hin, Herr Graf.« Sie lachte, aber es klang in seinen Ohren bitter. András beschloss, nicht darauf einzugehen. Nicht jetzt. Nicht vor ihrem Vater.
»Dann fügt sich alles ganz wunderbar zusammen«, rief András aus. »Ich werde bei Ihnen Stunden nehmen. Sie spielen ganz ausgezeichnet und werden mir sicher eine gute und gestrenge Lehrerin sein, und ihr Bruder muss sich bei seinen vielen Verpflichtungen nicht noch mit einem Schüler belasten.«
András sah den Vater zu Protest ansetzen, als unvermittelt die Wohnungstür klappte und ungestüme Schritte auf dem Parkettboden erklangen.
»Vater? Karoline? Wo seid ihr? Ach hier, das hätte ich mir denken können. Kannst deine Finger nicht von meinem Flügel lassen, Schwesterherz?«, fügte er scherzend hinzu, dann entdeckte er den Fremden und verstummte.
»Oh, guten Tag, verzeihen Sie, ich wusste nicht, dass Besuch da ist. Sind wir uns schon einmal begegnet, Herr …?« Er warf seiner Schwester einen schnellen Blick zu.
»Das ist Graf Báthory. Er hat dich gestern bei den Schwarzenbergs gehört. Fürstin Kinsky hat ihn zu uns geschickt …«
Beim Namen der Fürstin erhellte sich die Miene des jungen Mannes.
»… und ich habe mich entschlossen, bei Ihrer verehrten Schwester täglich Unterricht am Pianoforte zu nehmen«, führte András den Satz weiter, ohne sich um die finstere Miene des Vaters zu kümmern.
»Das ist ja großartig«, strahlte ihr Bruder. »Ich habe gerade wirklich zu viel zu tun, um noch einen Schüler zu unterrichten. Aber Karoline tut es bestimmt gut, meinst du nicht auch, Papa?«
Angesichts der Begeisterung seines Sohnes und der Anwesenheit des adeligen Gastes gab sich der Vater einen Ruck und zwang sich zu so etwas wie einem Lächeln.
»Ja, vielleicht ist das eine gute Lösung. Aber natürlich kann Karoline nicht zu Graf Báthory gehen und ihn in seinem Palais unterrichten. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie allein leben? Sie verstehen, dass ich Sie das frage. Oder gibt es eine Gräfin Báthory?«
»Nein, die gibt es nicht«, musste András zugeben. »Ich akzeptiere Ihre Bedenken als besorgter Vater – so muss es sein. Also hier in Ihrem Haus?« Der alte Wallberg nickte.
»Dann sehen wir uns morgen, Graf Báthory? Ich freue mich.« Karoline Maria Wallberg reichte ihm ihre zierliche Hand mit den weißen, schmalen Fingern.
András verbeugte sich. »Ich kann es kaum erwarten. Wenn die Nacht hereinbricht, werde ich da sein.«
Der kaiserlich-königliche Polizeikommissär Hofbauer saß an seinem Schreibtisch und starrte auf die Zeichnung vor sich, die der Polizeidiener am Tatort angefertigt hatte.
»Etwas juckt mich«, sagte er leise. Sein Untergebener, der Kriminalbeamte Schobermeier, grinste. »Das sind die Läuse«, sagte er.
Hofbauer warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Nein, der Fall! Etwas stört mich an dem Fall!«
»Vielleicht, dass wir bereits den dritten Mord diese Woche an einer jungen Frau haben? Dass ein Verrückter dem Hausmädchen von Frau Pichler die Kehle durchgeschnitten und es in der Halle hat verbluten lassen?«, schlug der Kriminalbeamte vor.
Kommissär Hofbauer schüttelte den Kopf. »Nein, ja, ich meine, natürlich stört es mich, dass wir schon wieder so einen Besessenen in Wien haben, der nachts die Straßen unsicher macht und die Bürger verschreckt. Aber das meine ich nicht. Mich stört etwas an dem Fall. Fällt Ihnen denn nichts auf? Erinnern Sie sich! Wie sie dagelegen hat, und dann das Blut auf dem Steinboden.«
Schobermeier zog eine Grimasse. »Sie müssen mich nicht an das schauderhafte Bild erinnern. Nicht an den Anblick des Hausmädchens und nicht an den von Resi aus dem Paradiesgärtel oder den der Schneidertochter draußen in der Leopoldstadt.«
»Gut, dann sind Ihnen ja sicher die Unterschiede aufgefallen!«, drängte Kommissär Hofbauer. »Suchen wir wirklich nur einen Täter?«
»Ach, Sie meinen, es laufen in Wien gleich mehrere Monster herum, die ihren Opfern die Kehle …«
»Genau, die Kehle herausreißen? Aufbeißen? Durchschneiden? Bei Cornelia hat der Täter ein
Weitere Kostenlose Bücher