Das Herz der Nacht
Messer benutzt, bei den anderen Opfern nicht.«
Der Kriminalbeamte zog die Stirn kraus. »Und deshalb glauben Sie gleich, dass es ein anderer war?«
»Ein Nachahmungstäter, dem die Details nicht bekannt waren? So etwas soll es geben.«
»Dann war dieser Nachahmer zu dumm, die Zeitung zu lesen! Von den Bisswunden stand überall geschrieben. Keine Ahnung, wie das durchgesickert ist, aber wir wissen ja, wie das läuft. Ein neugieriger Schreiberling, der ein paar Münzen investiert …«
»Selbst wenn der zweite Täter die Berichte gelesen hat, vielleicht war es ihm zuwider, diesen Teil ebenfalls zu imitieren, und er bevorzugte einen sauberen Messerschnitt? In der Hoffnung, dass uns der Unterschied nicht auffällt.«
»Und das war es, was Sie juckte wie eine Herde Kopfläuse?«, vergewisserte sich Schobermeier, doch sein Vorgesetzter schüttelte den Kopf.
»Nein, da ist noch etwas anderes. Ist der Wundarzt noch in der Nähe?« Er rief einen Polizeidiener und schickte ihn, den Doktor zu suchen. Schobermeier gesellte sich neugierig zu ihnen, als der Kommissär kurz darauf dem Wundarzt die Zeichnung zeigte.
»Und was stört Sie daran?«
»Das Blut«, sagte Hofbauer. »Mir war es zu wenig Blut.«
»Was sind Sie denn für einer?«, wunderte sich Schobermeier. »Mir war es durchaus genug Blut noch vor dem ersten Kaffee.«
Hofbauer schüttelte ein wenig verärgert den Kopf. »Sehen Sie sich die Lache an. Für eine normal große Frau, der die Kehle durchgeschnitten wurde, erscheint mir das zu wenig Blut. Ich habe in meiner langen Zeit bei der Polizei schon andere Opfer mit durchschnittener Kehle gesehen, und ich sage Ihnen, sie schwammen in ihrem eigenen Blut!«
»Der Boden?«, schlug der Wundarzt nach einer Weile vor. »Ist es vielleicht im Boden versickert?«
Hofbauer schüttelte den Kopf. »Es waren Steinplatten.«
»Hm, seltsam.«
»Was für eine andere Möglichkeit gäbe es, das fehlende Blut zu erklären?«
Der Wundarzt ließ sich wieder Zeit mit seiner Antwort. »Sie war vorher schon tot«, sagte er schließlich.
Schobermeier lachte auf. »Sie machen mir Spaß! Das Mädchen ist erst gestorben, und dann kam zufällig einer vorbei und hat ihm die Kehle aufgeschlitzt?«
Nun erntete er von Hofbauer und dem Arzt böse Blicke.
»Nein, das nicht, aber der Mörder könnte sie erst auf eine andere Weise getötet haben – zum Beispiel durch Erwürgen – und dann, als das Blut in ihren Adern bereits stockte, ihr die Kehle durchgeschnitten haben. Dann wäre nicht so viel Blut geflossen, wie wir es normalerweise erwarten würden.«
Schobermeier schien noch immer nicht überzeugt, wagte jedoch nur leise vor sich hingemurmelten Widerspruch. »Totgebissen, erwürgt und erstochen. Was denn noch alles? Haben wir vielleicht noch ein paar Einschusslöcher übersehen?«
Die beiden anderen Männer beachteten ihn nicht weiter. Sie brüteten weiter über der Zeichnung.
»Ich kann mir ihren Hals mal genauer ansehen«, bot der Arzt an. »Jetzt, da die Leiche gewaschen ist, kann ich vielleicht Spuren entdecken, die Ihren Verdacht untermauern.« Der Kommissär dankte ihm.
»War die Tür verschlossen, als man die Leiche fand?«, fragte der Wundarzt.
»Geschlossen ja, aber keiner konnte sich mehr erinnern, ob der Riegel vorgeschoben war.«
»Dann finden wir den Mörder vielleicht im Haus?«, rief Schobermeier.
»Nicht unbedingt. Der Mörder muss nur nachher die Tür hinter sich ins Schloss gezogen haben«, wandte Hofbauer ein.
»Und wie ist er reingekommen? Es musste zur Tatzeit weit nach Mitternacht gewesen sein! Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Haustür einfach so offen stand.«
Dagegen konnten sie nichts sagen. Schobermeier sah die beiden Männer triumphierend an.
»Vielleicht kannte das Mädchen den Mörder und hat ihn eingelassen? Man müsste überprüfen, ob sie einen Verehrer hatte«, meinte der Arzt.
»Ja, das ist möglich«, stimmte Hofbauer zu. »Ich halte so etwas für wahrscheinlicher, als den Täter unter den Hausbewohnern zu suchen. Warum sollte er die Leiche dort die ganze Nacht liegen lassen, bis sie entdeckt wird? Hätte der Mörder dann nicht versucht, den Körper zu beseitigen und das Blut abzuwischen? Außerdem, wie würde das zu den anderen Morden passen, die hier im Park und im Prater draußen verübt wurden?«
Schobermeier wollte etwas erwidern, aber Hofbauer hob die Hand und sprach weiter. »Natürlich werden wir sie dennoch befragen. Wie ich schon sagte, passt dieser Mord nicht genau zu
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