Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Ruth deutsch sprach, denn Rose Salden nutzte diese Sprache immer, wenn sie nicht wollte, dass die Dienstboten oder er etwas mitkriegten. In letzter Zeit wurde auf Salden’s Hill ziemlich oft deutsch gesprochen.
Horatio selbst sprach mit Ruth, den übrigen Saldens und den Farmarbeitern Afrikaans, selten nur Englisch und beinahe niemals die Sprache seines Stammes. Aber würde sie sich wirklich über deutsche Bücher freuen?
Horatio überlegte, schob dabei mit dem Zeigefinger seine Brille nach oben. Eigentlich wollte er gar nicht, dass Ruth deutsche Bücher las, deutsche Filme sah, sich auf Deutsch mit anderen unterhielt. Er liebte Ruth, wollte nichts mehr als ein Teil ihrer Welt sein, aber alles Deutsche schloss ihn aus.
Entschlossen betrat er die Buchhandlung. Er wusste, was er Ruth schenken würde, etwas, über das sie sich von ganzem Herzen freuen würde. »Ich hätte gern ein Lehrbuch der deutschen Sprache«, bat er.
Der Verkäufer musterte ihn ungeniert von oben bis unten. Horatio konnte förmlich sehen, was er dachte: Na, bist du auch einer von den Schwarzen, die sich bei den Deutschen einschleimen wollen?
»Im Augenblick ist nur ein Lehrbuch da, das in Englisch geschrieben ist. Verstehen Sie? Man muss Englisch können, um Deutsch zu lernen.«
»Packen Sie es mir bitte ein.«
»Haben Sie sonst noch Wünsche?«, fragte der Buchhändler.
»Ja, ich suche Bücher auf Afrikaans, die sich mit den Schwarzen beschäftigen. Namibische Märchen vielleicht oder ein Kochbuch.«
Der Mann lachte. »Bücher der Schwarzen? Vielleicht noch welche von schwarzen Schriftstellern, was?« Sein Lachen dröhnte in Horatios Kopf.
»Warum nicht? Was ist daran so lächerlich?«
»Die Schwarzen können weder lesen noch schreiben. Man muss froh sein, wenn sie ihren Namen nicht durch drei Kreuze ersetzen. Und froh muss man außerdem sein, dass sie wenigstens Afrikaans mit uns sprechen, statt in ihrer unverständlichen Klickersprache.«
Horatio hatte solche und ähnliche Beleidigungen sein ganzes Leben lang gehört. In Windhoek, an der Universität, war er so daran gewöhnt gewesen, dass sie ihm nicht einmal mehr auffielen. Nun aber – die schlechte Behandlung der Rezeptionistin im Hansa-Hotel lag gerade eine Stunde zurück – ertrug er die Herabsetzung nicht.
»Zeigen Sie mir die Märchenbücher, die Sie dahaben«, verlangte er in einem Ton, den er sich von Rose Salden abgehört hatte. »Und beeilen Sie sich ein wenig. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Sofort veränderte sich die Haltung des Buchhändlers. Er neigte den Kopf: »Selbstverständlich, mein Herr. Bitte hier entlang.«
Horatio suchte ein halbes Dutzend Märchenbücher aus, dazu ein deutsches Kochbuch, ein Buch über die Pflanzenwelt Namibias und zwei englische Romane.
Während der Buchhändler jedes einzelne Buch auf Horatios Wunsch in Geschenkpapier packte, stand Horatio am Fenster und sah auf die Einkaufsstraße hinaus. Sein Blick schweifte von rechts nach links und blieb an einem Paar hängen, das sich offensichtlich sehr nahestand. Horatio beugte sich ein wenig nach vorn, um genauer sehen zu können. Er kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. Das Bild aber blieb: Auf der anderen Straßenseite stand Willem, Corinnes Mann, und ließ sich von einer blonden, sehr jungen Frau umarmen und küssen. In der Hand der Frau hing eine lackierte Tüte mit dem Aufdruck eines Juweliers.
Dreizehntes Kapitel
» W arum in aller Welt hast du das getan, Mutter?« Corinnes Haut wirkte noch immer fleckig, die Augen waren vom Weinen verschwollen. Nur ihr Hochmut war zurückgekehrt.
Rose Salden verdrehte die Augen. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und betrachtete die große blaue Kladde mit den Zahlen der aktuellen Buchhaltung. Die Farm stand gut da. Der Viehbestand war gesund, Mama Elos und Mama Isas Käseexperimente hatten keine allzu großen Löcher ins Budget gerissen. Wenn das Hansa-Hotel in Swakopmund Salden’s Hill tatsächlich einen Auftrag erteilte, stand die Farm sogar richtig gut da.
»Warum hast du das getan, Mama?«
»Wie?« Rose seufzte, hob den Kopf und ließ keinen Zweifel daran, dass Corinne sie störte.
»Warum wolltest du mich der Polizei ausliefern? Warum hast du gesagt, dass das schwarze Balg hierher gehört? Ich dachte immer, das Baby stört dich genauso wie mich. Also: Warum?«
Rose Salden seufzte erneut. »Dich, mein Kind, hat hier gar nichts zu stören. Das zum Ersten. Du bist hier Gast, hast dich den Gepflogenheiten
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