Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
und ich habe ihn geleast. Außerdem ist Evan mit dem Händler befreundet.«
»Apropos, wer von uns beiden war so egoistisch und hat sich an einen verheirateten Mann rangemacht, ohne einen Gedanken an seine Familie zu verschwenden?«
»Boah. Das war ein echter Tiefschlag.«
»Ich sag ja bloß …«
»Und ich frag ja bloß …«
»Ich weiß, was du mich fragst. Du musst es nicht noch mal sagen.«
»Und?«
»Ich rufe ihn jeden Tag an.«
»Das reicht nicht.«
»Ich verstehe nicht, warum nicht.«
»Und ich verstehe das Problem nicht«, sagte Jennifer, bemüht, nicht so aufgebracht zu klingen, wie sie war. Warum war in ihrem Leben immer alles so kompliziert? Warum konnte nicht mal irgendwas einfach sein?
»Es ist halt schwer für mich«, sagte Cameron nach einer längeren Pause, während der Jennifer sich fragte, ob sie aufgelegt hatte.
»Was?«
»Ihn so zu sehen.«
»Er ist seit Jahren so, Cameron.«
»Ich weiß, und ich hasse es.«
»Glaubst du, mir gefällt es?«
»Ich glaube einfach, dass du besser damit umgehen kannst als ich«, machte Cameron ihrer Schwester das erste Kompliment, an das Jennifer sich erinnern konnte. »Ich nehme an, ich bin einfach sensibler als du«, nahm sie es sofort wieder zurück.
»Okay, hör zu, wir reden im Kreis«, sagte Jennifer. »Das sind die Fakten …«
»Oje«, sagte Cameron tonlos, »die Fakten.«
Jennifer ignorierte die Unterbrechung. »Tatsache ist, dass ich für drei Tage wegfahre und unser Vater allein ist. Es ist heiß; er weigert sich, die Lüftung einzuschalten; vielleicht denkt er daran, etwas zu essen, vielleicht auch nicht. Irgendjemand muss nach ihm sehen.«
»Und diese Person bin ich.«
»Und diese Person bist du«, bestätigte Jennifer.
»Gut. Ich werde sehen, was ich machen kann.«
»Gut«, gab sich Jennifer zufrieden, weil es wahrscheinlich das Beste war, worauf sie hoffen konnte.
Gut, dachte sie jetzt wieder und verdrängte mit einem Kopfschütteln alle weiteren Gedanken an ihre Schwester.
»Vorsicht«, warnte James und strich sich mit übertriebener Geste ein paar Strähnen von Jennifers Haar aus dem Gesicht. »Diese Haare sind eine tödliche Waffe.«
»Tut mir leid.«
»Apropos tödlich«, sagte James und senkte dramatisch die Stimme, »kannst du das Radio ein bisschen lauter drehen?«
»Weitere Details zu den schockierenden Morden in den Berkshires«, verkündete ein Nachrichtensprecher.
»Die armen Leute«, sagte Melissa. »Kannst du dir das vorstellen: Da wirst du fast neunzig, nur um dann ermordet zu werden?«
»Kannst du dir vorstellen, neunzig zu werden?«, fragte Val zurück.
»Bisher wollte die Polizei nicht bestätigen, dass es sich bei einer der Waffen, mit denen Marie und William Carteris ermordet wurden, um dieselbe Waffe handelt, mit der eine Woche zuvor ein anderes älteres Paar, Arlene und Frank Wall, in ihrer Hütte in Brimfield getötet wurden. Des Weiteren wurde betont, dass es bisher keinerlei Indizien gebe, die auf einen Zusammenhang zwischen diesen Taten und dem Mord an Brian Grierson hinweisen, einem Wanderer, dessen verstümmelter Leichnam einige Meilen vom Haus der Walls entfernt in einem flachen Grab gefunden wurde«, fuhr der Sprecher fort.
»Hallo? Hört das irgendjemand?«, fragte James. »Berge, Mörder, Verstümmelung. Was machen wir hier, Leute?«
»Wir sind in den Adirondacks und nicht in den Berkshires«, erinnerte Val ihn kichernd.
»Das ist doch das Gleiche.«
»Sie liegen in verschiedenen Staaten.«
»In Nachbar staaten«, entgegnete James. »Ich meine ja auch nur. Alle Morde sind an entlegenen Orten fernab jeder Zivilisation passiert.«
»Das Ferienhotel am Shadow Creek liegt wohl kaum fernab jeder Zivilisation«, sagte Jennifer mit hörbarer Verärgerung. Sie fragte sich noch einmal, was sie hier mit diesen Leuten machte. Warum hatte sie zugestimmt, fast fünf Stunden mit Evans Exfrau und ihren verrückten Freunden in einem Auto zu sitzen, wo sie sich verrücktes Gerede über Mord und Verstümmelung anhören musste?
Doch noch während sie sich diese Frage stellte, gestand sie sich bereits stumm die Antwort ein.
Sie war aus demselben Grund hier wie Valerie.
Verschiedene Frauen, dasselbe Motiv.
Dieses Motiv hatte sogar einen Namen.
Evan.
Und wo genau steckte der fragliche Mann?
Er war in Manhattan, im geräumigen Luxus seines klimatisierten Büros im fünfunddreißigsten Stock des Time-Warner Buildings und legte letzte Hand an einen Deal zum Erwerb eines neuen Hotels in South
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