Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
Beach.
Jennifer dachte, dass sie auf ihn hätte warten sollen, anstatt sich darauf einzulassen, ohne ihn loszufahren. Sie hätte Val sagen sollen, dass sie Brianne gerne zu dem Hotel fahren könne, wenn sie wolle; sie selbst würde auf Evan warten.
»Wenn er seine Frau betrogen hat«, hörte sie ihren Vater sagen, »wird er auch dich betrügen.«
Mit seiner zukünftigen Exfrau?
Verdammt, dachte Jennifer, als sie Vals Blick im Rückspiegel auffing, und wand sich auf ihrem Mittelplatz. Was hatte es zu bedeuten, dass Val eingewilligt hatte, sie bis zum Lake George zu fahren? Die meisten Exfrauen hätten Evan erklärt, er könne sie mal, wenn man sie aufgefordert hätte, ihren Geburtstagsausflug in die Stadt zu verschieben, um seine Tochter und seine neue Verlobte zu deren trautem gemeinsamem Wochenende zu chauffieren. Wenn Valeries Freunde auch nur halbwegs normal wären, hätten sie sich heftiger gegen den langen Umweg gewehrt. Selbst James’ Protest war bestenfalls halbherzig und eher theatralisch als überzeugend ausgefallen. Jennifer sah, dass er sich trotz all seiner Bedenken prächtig über die Situation und ihre missliche Lage amüsierte.
Machte sich Valerie immer noch Hoffnungen, wieder mit Evan zusammenzukommen?
Ermutigte Evan diese Hoffnungen?
Und wenn ja, warum?
»Herrgott noch mal, Brianne«, unterbrach Val Jennifers Gedanken. »Wem schickst du denn jetzt schon wieder eine SMS ?«
»Niemandem.« Brianne verstaute ihr BlackBerry demonstrativ wieder in ihrer Handtasche. »Ich schlafe ein bisschen«, verkündete sie den übrigen Passagieren. »Weckt mich, wenn wir da sind. Und versucht, die allgemeine Hysterie auf ein Minimum zu reduzieren«, sagte sie über die Schulter an James gewandt.
Als Reaktion fing er an zu singen. »›Die Täler entlang klingt das Lied der Berge‹«, trällerte er, und Val und Melissa stimmten rasch ein.
Ich bin in der Hölle, dachte Jennifer mürrisch, während sie weiter über die Route 9 Richtung Prospect Mountain fuhren.
KAPITEL 5
Sobald sie die Augen schloss, sah sie das Blut.
Sie war überrascht gewesen von der schieren Menge und der Art, wie es in einem großen, üppigen Schwall buchstäblich aus seiner Quelle geschossen war. Ebenso überraschend war seine satte, hellrote Farbe. Sie verzog die Lippen zu einem kleinen, fast unmerklichen Lächeln. Sie hatte immer angenommen, dass Blut brauner, matter, nicht so leuchtend rot sein würde.
Leuchtend, wiederholte sie stumm und kaute auf den Silben wie auf einem Kaugummi. Üppig.
Seltsame Worte, um den Tod zu beschreiben.
Als sie jünger war, hatte sie sich oft mit einer Rasierklinge geritzt. Fasziniert hatte sie beobachtet, wie kleine Blutströme sich an ihren Ober- und Unterschenkeln hinabgeschlängelt hatten, während ein Gefühl der Erleichterung rasch den anfänglichen Schmerz überdeckt hatte.
»Tut es nicht weh?«, hatte ihre Freundin Molly einmal gefragt.
»Nein. Es fühlt sich wunderbar an«, hatte sie mit einem tiefen, befriedigten Seufzer gestanden und weiter erklären wollen, dass jeder Schnitt in ihr Fleisch sich anfühlte, als würde sie einen unbändiger Juckreiz stillen. Sie empfand dabei einen euphorischen Rausch, der wie ein Betäubungsmittel wirkte, ihre Seele vorübergehend erlöste und die Dämonen befreite, die dicht unter ihrer Haut lauerten. Aber sie hatte sich zurückgehalten, als sie den Ausdruck wachsenden Entsetzens in Mollys Gesicht gesehen hatte. Ihre Freundin würde sie nicht verstehen. Jeder Versuch, es zu erklären, war sinnlos.
»Weiß deine Mutter davon?«, hatte Molly bei anderer Gelegenheit gefragt.
»Natürlich nicht.«
»Aber deine Beine sind voller Narben.«
»Das fällt ihr nicht auf.«
»Und wenn doch?«
»Dann sage ich ihr, ich wäre in ein Gebüsch gefallen.«
»Und wenn sie dir nicht glaubt?«
»Ihr Problem.«
»Ich finde, du solltest damit aufhören«, mahnte Molly, bevor sie zu einem anderen – sichereren – Thema wechselte.
Und sie hörte tatsächlich auf, allerdings nicht wegen Mollys fehlgeleiteter Sorge oder aus Angst, ihre Mutter könnte es entdecken. Sie hörte damit auf aus dem Grund, aus dem sie die meisten Dinge aufgab, die ihr einmal Freude bereitet hatten – Bücher, Hobbys, Freundinnen. Sie fing an, sich zu langweilen.
Außerdem hatte sie etwas anderes gefunden, womit sie ihre inneren Dämonen noch besser befreien konnte.
Sie hatte einen Jungen kennengelernt.
Einen Jungen, der ihre dunkleren Impulse nicht nur verstand, sondern auch
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