Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
Freundin ausmachen. »Willst du mich verarschen?«
»Ich komme nur auf sechs.«
»Du bist betrunken.«
»Nein, ich bin nicht mehr ganz betrunken und mir ist noch nicht ganz schlecht. Lenk mich ab.«
»Stolz«, sagte Melissa rasch. »Und Wut.«
»Die hab ich schon. Außerdem noch Neid, Wollust und Trägheit.«
»Ich höre Flüstern«, rief James aus dem Nebenraum.
Melissa schlug sich das Laken vom Kopf und richtete sich auf. »Wir versuchen, die sieben Todsünden zusammenzubekommen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Brianne im Nebenbett und untermalte ihr Missvergnügen mit einem ausgedehnten Stöhnen.
»Wollust«, sagte James sofort. »Zorn. Völlerei. Neid.«
»Hochmut und Trägheit«, sagten Val und Melissa gleichzeitig.
»Was meinen die denn mit Trägheit, verdammt noch mal?«
»Uns fällt die siebte Todsünde nicht ein«, sagte Melissa.
Es war kurz still. »Habgier«, sagte Jennifer neben Brianne leise.
»Natürlich«, sagte James. »Von wegen du sollst nicht begehren deines Nachbarn …« Er hielt abrupt inne.
Wie passend, dass Jennifer ausgerechnet diese Sünde kannte, dachte Val und wurde von einem neuen Schwall Übelkeit erfasst.
»Und was kommt als Nächstes?«, fragte Brianne. »Stadt, Land, Fluss? Scharade?«
»Ich liebe Scharaden«, sagte James.
»Können wir nicht einfach alle ein bisschen schlafen?«, flehte Brianne. »Bitte.«
»Ich muss mich übergeben«, verkündete Val.
Brianne stöhnte. »Ich krieg die Krise.«
»Tut mir leid, Schätzchen«, entschuldigte Val sich, rannte ins Bad, schlug die Tür hinter sich zu und übergab sich prompt in die Toilettenschüssel.
Brianne drehte sich auf die andere Seite, während sie unter dem Laken hektisch mit beiden Daumen tippte. Ich krieg die Krise , schrieb sie wütend in ihr BlackBerry. Sie sind immer noch wach .
Zuerst war ihre Mutter ins Bad gestürmt. Brianne versuchte die Erinnerung an ihr qualvolles Würgen zu verdrängen. Dann hatte Melissa nachgesehen, ob alles in Ordnung war. Dann hatte James natürlich beschlossen, dass er nicht fehlen durfte. Und zuletzt hatte sogar Jennifer entschieden, ihren Beitrag zu leisten, und versprühte jetzt großzügig ihr Angel-Parfüm im Bad.
Warte bitte noch ein bisschen länger , tippte Brianne weiter. Ich komme, sobald ich kann .
Es war ein Uhr in der Nacht, Himmel noch mal. Warum schlief noch keiner? Warum waren alle wild entschlossen, das Elend in die Länge zu ziehen, indem sie so lange wie irgend möglich wach blieben?
Beinahe so, als ob sie es wüssten.
Aber wie sollten sie?
Jennifer war zu beschäftigt, Melissa und James waren zu ahnungslos, und ihrer Mutter ging es zu schlecht, als dass irgendjemand etwas mitbekommen haben könnte.
Und was sollte der ganze Quatsch mit den sieben Todsünden? Die hatten sie sich bestimmt ausgedacht, entschied Brianne. Sie konnte sich weit schlimmere Sünden vorstellen. Wut und Neid? Pah! Wenn das als Todsünde galt, würde die gesamte Bevölkerung in der Hölle schmoren. Und Habgier? War es nicht viel schlimmer, etwas zu tun , als es nur zu wollen? Und was war verkehrt an Stolz? Stolz auf die eigene Arbeit, das Aussehen, die Leistungen? War das nicht angeblich etwas Gutes?
Was Völlerei betraf, gab es wirklich zu viele fette Menschen auf der Welt, aber war Verfressenheit wirklich so böse wie Raub oder Kindesmisshandlung?
Was war mit tätlichem Angriff? Vergewaltigung? Folter?
Und in welchem verdrehten Universum war Trägheit schlimmer als Mord? Mord war vermutlich nicht tödlich genug, dachte Brianne lächelnd.
»Ich glaube, jetzt kann man es wieder sicher betreten«, sagte Jennifer, als sie aus dem Bad kam und wieder ins Bett krabbelte.
»Nein danke«, sagte Brianne und überlegte es sich dann rasch anders. Im Bad konnte sie wenigstens in Ruhe SMS schreiben. Außerdem wurde es mit ihren Kleidern unter dem Schlafanzug im Bett langsam heiß. »Okay, vielleicht doch.«
Im Bad schloss sie die Tür hinter sich ab, drehte die Wasserhähne auf und riss sich den Schlafanzug vom Körper. Sie hielt den Atem an, um nicht von einer dichten Wolke von Jennifers Parfüm überwältig zu werden, setzte sich auf den Rand der Badewanne und tippte los. Tut mir leid, Baby. Diese Idioten wollen offenbar mein Leben zerstören. Ich verspreche, ich mache es wieder gut. Heute Nacht. Es wird der Wahnsinn. Warte auf mich .
Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür. »Brianne«, flüsterte ihre Mutter, »alles in Ordnung?«
» Ich hab nicht zu viel getrunken«,
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