Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
ihre Affäre mit einem verheirateten Mann.
Das verheißt nichts Gutes , hörte sie ihren Vater sagen.
»Halt die Klappe, Daddy«, dachte sie und war sich nicht bewusst, die Worte laut ausgesprochen zu haben, bis sie spürte, dass sich neben ihr etwas regte. Sie schlug die Augen auf, um Briannes Gesicht nur Zentimeter über ihrem zu sehen.
»Hast du gerade gesagt, ich soll die Klappe halten?«, fragte Brianne. Ihr Atem war warm und duftete nach Pfefferminz.
»Nein, natürlich nicht«, flüsterte Jennifer.
»Es hat sich angehört, als hättest du ›Halt die Klappe‹ gesagt.«
»Nein.«
»Pssst«, meldete sich Val aus dem anderen Bett. »Andere Leute versuchen zu schlafen.«
»Ich dachte, du schläfst schon«, sagte Brianne.
»Ich versuche es.«
»Du hast jedenfalls laut genug geschnarcht.«
»Hab ich nicht.«
»Hast du wohl. Stimmt’s?«, fragte Brianne Jennifer.
»Es ist wirklich keine große Sache«, sagte Jennifer.
»Wie überaus großzügig von Ihnen«, erwiderte Val.
»Herrgott noch mal, Mom. Sie wollte doch bloß nett sein.«
»Ich brauche ihre Unterstützung nicht.«
»Geht es vielleicht ein bisschen leiser?«, fragte Melissa verschlafen neben Val.
»Was ist denn da los?«, rief James aus dem Nebenzimmer. »Verpasse ich irgendwas?«
»Schläft überhaupt irgendjemand?«, jammerte Brianne.
»Ich schnarche nicht«, beharrte Val.
»Und warum hat Dad dann immer gesagt, dein Schnarchen hätte ihn die halbe Nacht wach gehalten?«
»Ich weiß nicht«, stieß Val verkniffen hervor, »aber darüber muss er sich ja jetzt zum Glück keine Sorgen mehr machen.« Damit drehte sie sich so ruckartig auf die andere Seite, dass beide Betten wackelten.
»Was ist denn da los?«, fragte James.
»Könnten bitte einfach alle einschlafen?«, flehte Brianne.
Das Letzte, was Jennifer hörte, bevor sie sich das Laken über den Kopf zog, war Vals trauriger Seufzer.
Ganz meine Meinung, dachte sie.
Und warum hat Dad dann immer gesagt, dein Schnarchen hätte ihn die halbe Nacht wach gehalten?
Die Frage kreiste in Vals Kopf wie ein Tornado. Verdammt, dachte sie. Ja, Evan hatte sich gelegentlich über ihr Schnarchen beschwert, aber na und? Schnarchen war ja wohl kaum ein Scheidungsgrund. Im Gegensatz zu Ehebruch. Außerdem war ihr so schlecht, dass sie nicht schlafen konnte. Wie also hätte sie da schnarchen sollen?
Na gut, vielleicht war sie doch mal ein paar Sekunden eingedöst, aber bestimmt nicht länger. Und selbst wenn sie geschnarcht hatte , musste Brianne sie deswegen so demütigen? War ihr Bedürfnis, Jennifer zu beeindrucken, wichtiger als der Stolz ihrer Mutter?
Ich habe sie verloren, dachte Val.
Ihre Tochter war zur anderen Seite übergelaufen.
Die dunkle Seite, dachte sie, unterdrückte ein Kichern und löste einen weiteren Magenkrampf aus, der ihr unmissverständlich ankündigte, dass sie sich übergeben musste. Val atmete ein paarmal tief durch, um das Unvermeidliche hinauszuzögern, und fragte sich, wie lange sie durchhalten würde. Hoffentlich bis die anderen eingeschlafen waren. Man hatte ihr schon vorgeworfen, mit ihrem Schnarchen alle am Schlafen zu hindern. Sie wollte nicht, dass auch noch »verträgt keinen Alkohol« zu der stetig wachsenden Liste ihrer Sünden hinzugefügt wurde.
Sünden, wiederholte sie stumm, und das Wort trudelte durch ihre Gedanken wie ein Frisbee. Sie versuchte, sich an die sieben Verfehlungen zu erinnern, die als Todsünden galten. Hochmut, dachte sie. Völlerei. Zorn.
Dieser drei Vergehen hatte sie sich allesamt mehr als einmal schuldig gemacht, dachte sie, begleitet von einem Rumoren in ihrem Bauch.
Was noch?
Wollust.
Ah ja, dachte sie und erinnerte sich daran, wie Evan und sie sich zum letzten Mal geliebt hatten. Seitdem hatte sie mit keinem anderen Mann geschlafen. Sie hatte nicht mal das Bedürfnis. Von wegen Sünden!
Neid.
Okay, ja klar. Erwischt. Ich bin neidisch.
Trägheit des Herzens.
Sie wusste nicht genau, was das bedeutete, aber wahrscheinlich war sie auch in diesem Punkt schuldig.
Was noch? Hochmut, Völlerei, Zorn, Wollust, Neid und Trägheit des Herzens . Das waren sechs. Was war die Siebte? Mist, dachte Val, atmete erneut tief durch und schluckte die Galle in ihrer Kehle herunter. »Melissa, schläfst du schon?«
Melissa drehte sich um, steckte den Kopf unter das Laken und sah Val an. »Hast du was gesagt?«
»Was sind die sieben Todsünden?«
Selbst in der Dunkelheit unter dem Laken konnte Val den ungläubigen Gesichtsausdruck ihrer
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