Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
lächelte. »Es war super«, sagte sie, unfähig, ihr Hochgefühl länger zu unterdrücken. »Die beste Suche aller Zeiten.«
Melissa stieß ein Freudengeheul aus. »Amen. Das wurde aber auch Zeit.«
»Amen«, wiederholte Val und merkte, dass ihr der Klang des Wortes gefiel. Sie schmiegte sich in die Beuge von Melissas Arm, während James tief Luft holte und mit seiner Gruselgeschichte begann. »Sie heißt ›Der Haken‹«, verkündete er der Versammlung vornehmlich mittelalter Gesichter, nachdem sich die jüngeren Camper während des Medleys aus Meine Lieder, meine Träume größtenteils verzogen hatten.
»O Gott«, sagte Melissa. »Nicht das alte Schätzchen. Das habe ich nicht mehr gehört, seit ich zehn war.«
James räusperte sich und fuhr unbeirrt fort. »Den ganzen Tag waren die Nachrichten voll von Berichten über einen Geisteskranken, der aus einer Klinik in der Nähe entflohen war«, begann er und senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Man nannte ihn den Haken-Mann, weil er bei einem schrecklichen Unfall einen Arm verloren und durch einen Haken hatte ersetzen lassen, mit dem er nun unschuldige Männer, Frauen und Kinder tötete und verstümmelte.« James blickte mit blitzenden Augen in die Runde um das Feuer. »Und da war dieses Mädchen. Nennen wir sie Sienna.«
»Sienna?«, fragten Val und Melissa im Chor.
»Es ist eine aktualisierte Fassung«, erklärte James. »Jedenfalls, Sienna war sechzehn, und der Haken-Mann und all die Menschen, die er massakriert hatte, waren ihr völlig egal. Wichtig war ihr nur, was sie am Abend zu ihrem Date mit Bryce anziehen sollte, dem Kapitän des Footballteams.«
»Bryce?«
James verdrehte die Augen. »Jedenfalls wählte sie eine tief ausgeschnittene Bluse von Tony Burch, eine Stonewashed-Jeans von Dolce & Gabbana und ein Paar hinreißende Leopardenmuster-High Heels von Manolo Blahnik.«
»Nettes Detail«, sagte Melissa.
James lächelte und fuhr sichtlich zufrieden mit sich selbst fort. »Bryce holte Sienna in seinem silbernen Porsche ab. Sie fuhren zu einem einsamen romantischen Plätzchen und fingen an rumzuknutschen. Plötzlich hörten sie ein Kratzen an der Tür. ›Was ist das?‹, fragte Sienna, löste sich aus Bryce’ Armen und sah sich um. ›Ich hab nichts gehört‹, beharrte Bryce. ›Das musst du dir eingebildet haben.‹ Im selben Moment wurde die Musik im Radio für eine Warnung unterbrochen, dass sich der Haken-Mann in der Gegend aufhalte. ›Bring mich sofort nach Hause‹, befahl Sienna, während der Wagen unvermittelt bedrohlich zu schaukeln begann, als würde jemand daran rütteln. Bryce legte sofort einen Gang ein und raste mit quietschenden Reifen los. Als sie bei Sienna zu Hause angekommen waren, stieg das Mädchen hastig aus. Dann blieb sie wie angewurzelt stehen und fing an zu schreien. ›Was ist?‹, fragte Bryce und lief um den Wagen herum. Und da sah er es. Am Türgriff auf der Beifahrerseite hing ein blutiger Haken!« James lehnte sich zurück und genoss den Applaus.
Val unterdrückte ein Schaudern. James’ Geschichte wies beunruhigende Ähnlichkeiten zu den Morden neulich in den Berkshires auf. Auf der Suche nach Brianne ließ sie den Blick über den Zeltplatz schweifen. Kein Grund zur Sorge, sagte sie sich. Kein Grund, sich zu gruseln. Es war bloß eine Geschichte, eine alberne dazu. Es gab keinen Haken-Mann, der in den Büschen lauerte und darauf wartete, ihre Tochter in Stücke zu hacken. Brianne war mit Hayden zusammen, und Gary würde sie bestimmt bald finden und zurückbringen.
Und dann bringe ich sie um, dachte Val.
KAPITEL 15
»Wie weit genau ist es bis zu diesem blöden See?«, fragte Brianne Hayden, ohne sich noch die Mühe zu machen, ihre Ungeduld zu verbergen. Sie liefen seit Stunden im Kreis herum; sie wurde bei lebendigem Leib von Moskitos gefressen, und ihre ehemals eleganten roten Peeptoes von Jimmy Choo, die sie nach stundenlangem Schlangestehen vor H & M zu einem Schnäppchenpreis ergattert hatte, waren auf dem unebenen Terrain gründlich ramponiert worden. Störrische Zweige hatten das vormals weiche Leder völlig zerkratzt, die schlanken Zehn-Zentimeter-Absätze waren von hässlichen, fetten Dreckklumpen verklebt. Ganz zu schweigen davon, dass sie schon zweimal über den rechten Knöchel umgeknickt war, der inzwischen schmerzhaft pochte. Sie hätte Sneakers anziehen sollen, wie ihre Mutter vorgeschlagen hatte, dazu Jeans und ein Sweatshirt. Die weißen Shorts und das ärmellose T-Shirt
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