Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
um sieben Uhr. »Aber bis dahin ist Brianne bestimmt zurück.«
»Ich kann nicht glauben, dass das schon wieder passiert.«
»Aller guten Dinge sind drei«, meinte James.
Melissa unterdrückte ein weiteres Gähnen. »Sie wollte garantiert zurück sein, bevor irgendeiner von uns merkt, dass sie weg war.«
»Hört mal, warum versucht ihr nicht, noch ein bisschen zu schlafen?«, schlug Val vor. »Es ist doch sinnlos, wenn wir alle die ganze Nacht lang wach bleiben.«
»Und du bist sicher, dass du nichts dagegen hast?«, fragte Melissa.
»Absolut.«
»Und du rufst, wenn sie zurückkommt?«, fragte James.
»So laut, dass man mich noch in Kanada hört.«
Sie umarmten sich, und Val sah ihre beiden Freunde in ihren Zelten verschwinden.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich lieber hier draußen bleiben«, sagte Jennifer.
Val nickte. Offen gestanden hatte sie nichts dagegen. In Wahrheit war sie sogar ziemlich dankbar für Jennifers Hilfe. Die junge Frau war fast eine Stunde lang auf dem Gelände des Campingplatzes hin und her gelaufen und hatte versucht, irgendwo Netzempfang für ihr Handy zu bekommen, damit sie Henry Voight anrufen konnte, leider ohne Erfolg.
»Wenigstens hat es aufgehört zu regnen«, sagte Jennifer.
Ein kleiner Trost, dachte Val, starrte geradeaus und betete, dass sich unvermutet die Gestalt ihrer Tochter aus der Dunkelheit herausschälte. Aber sie sah nur wiegende Äste, hörte nur das Rauschen der Blätter. Deine Tochter ist in Gefahr , flüsterten sie ihr zu. Deine Tochter braucht dich .
»Alles in Ordnung?«, fragte Jennifer nach mehreren Minuten Schweigen.
Val nickte. »Ich bin bloß besorgt. Und wütend. Und enttäuscht. Vermutlich eine ziemlich exakte Zusammenfassung vom Gefühlzustand aller Teenager-Eltern.«
Jennifer lachte traurig. »Sieht so aus, als müsste ich mir deswegen keine Sorgen machen.«
»Sie wollen keine eigenen Kinder?« Val merkte, dass sie ernsthaft neugierig war.
»Ich weiß nicht. Früher bin ich immer davon ausgegangen, dass ich irgendwann mal einen Haufen Kinder habe«, gestand Jennifer. »Aber Evan …« Sie hielt abrupt inne. »Tut mir leid.« Sie schlang die Arme um die Knie und starrte zu Boden.
»Evan will keine Kinder mehr«, beendete Val den Satz für sie.
»Ich kann sein Zögern verstehen«, sagte Jennifer rasch. »Wirklich. Er ist älter, und er kennt das alles schon.«
»Aber Sie nicht.«
»Nein, aber … Na ja, mal sehen. Vielleicht ändert er seine Meinung ja noch.«
Darauf würde ich mich nicht verlassen, dachte Val, ohne es laut zu sagen, weil sie spürte, dass das nicht nötig war. Was seinen Widerstand gegen weitere Kinder betraf, war Evan immer unerbittlich gewesen. » Ich möchte dein Baby sein«, hatte er jedes Mal erklärt, wenn sie das Thema aufgebracht hatte.
»Wahrscheinlich wäre ich sowieso keine gute Mutter«, sagte Jennifer.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich bin nicht sehr geduldig.«
»Nicht? Sie kommen mir vor wie jemand mit viel Geduld.«
Jennifer lachte, doch es klang nicht besonders fröhlich. »Nicht laut meiner Schwester. Sie sagt, dass ich ständig nerve.«
»Nun, Schwestern sind nicht unbedingt die freundlichsten Richterinnen.«
»Haben Sie eine Schwester?«, fragte Jennifer.
»Eine jüngere. Allison.«
»Meine ist älter. Cameron.«
»Stehen Sie sich nahe?« Val dachte, sie würde nur fragen, um die Zeit zu vertreiben und sich von den Sorgen um Brianne abzulenken, aber sie wartete tatsächlich gespannt auf Jennifers Antwort.
»Nein, wir standen uns nie nahe. Ich weiß nicht genau, warum. Ich schätze, wir sind einfach zu verschieden. Mir kommt es vor, als würden wir uns nur gegenseitig auf die Nerven gehen. Was ist mit Ihnen und Allison?«
»Als Kinder waren wir sehr eng miteinander. Das hat sich geändert, als mein Vater uns verlassen hat.«
»Warum ist er gegangen?«
»Eine andere Frau«, antwortete Val mit einem gequälten Lächeln. »Kommt Ihnen das bekannt vor?«
Jennifer starrte betreten zu Boden. »Mein Vater hat Alzheimer«, sagte sie nach einer Pause.
»Das tut mir leid.« Wieder merkte Val selbst überrascht, dass sie es aufrichtig meinte.
»Das heißt, in gewisser Weise hat er uns auch verlassen.«
Val nickte. »Das muss hart sein.«
»Ist es.«
»Was ist mit Ihrer Mutter?«
»Sie ist tot. Und Ihre?«
»Arbeitet dran.«
Jennifer suchte im Dunkeln Valeries Blick, sagte jedoch nichts.
»Sie trinkt«, fuhr Val unaufgefordert fort. »Viel. Eigentlich mehr oder weniger
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