Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
»Ich kann nicht. O Gott, es fängt an, richtig wehzutun.«
Erneutes Donnergrollen erschütterte den Himmel wie eine ferne Explosion.
»War das ein Blitz?«
»Ich hab nichts gesehen«, antwortete Tyler.
»Ich schon. Ich habe einen Blitz gesehen. Na toll. Jetzt sterben wir an einem Stromschlag.«
»Niemand stirbt an einem Stromschlag. Komm, versuch es noch mal.« Er fasste ihren Arm.
»Rühr mich nicht an, du Blödmann.« Um ihren Punkt zu unterstreichen, riss sie sich die Schuhe von den Füßen und warf sie in seine Richtung.
»Was zum …?« Tyler duckte sich und warf frustriert die Hände in die Luft. »Okay, gut. Ich gebe auf. Du willst meine Hilfe nicht? Du willst nichts mit mir zu tun haben? Du willst, dass ich dich in Ruhe lasse? Meinetwegen. Dann helfe ich dir nicht und lass dich in Ruhe.« Er drehte sich um und stampfte wütend davon.
»Willst du mich hier einfach allein lassen?«, rief Brianne ihm ungläubig nach.
Tyler drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht glänzte von einer Mischung aus Regen und Wut. »Was willst du von mir, Brianne? Sag es mir. Was immer du willst, ich tue es. Sag mir einfach nur, was du willst.«
Ich will zu meiner Mutter ! »Ich will hier weg.«
»Dann musst du als Erstes aufstehen.«
»Nicht, ehe ich nicht weiß, wohin wir gehen. Wir können nicht einfach die ganze Nacht weiter im Sturm durch die Dunkelheit irren.«
Es blitzte erneut, diesmal gab es keinen Zweifel, Sekunden später gefolgt von krachendem Donner.
»Probier noch mal dein Handy«, wies Brianne Tyler an.
Tyler zog sein Telefon aus der Tasche und begann, auf die Tasten zu drücken. »Ich krieg kein verdammtes Netz.«
»Scheiße.«
»Okay, pass mal auf«, sagte Tyler. »Vor einer Weile sind wir an einer Lichtung vorbeigekommen. Ich glaube, da wären wir sicherer. Dort gibt es nicht so viele Bäume.«
»Ich kann mich an keine Lichtung erinnern.« Brianne mühte sich aufzustehen. »Scheiße. Ich kann den Fuß nicht belasten.« Sie versuchte zu hüpfen und spürte die kalte Erde unter ihren nackten Füßen. Die Zweige am Boden pieksten ihre Haut wie Akupunkturnadeln. »Das geht so nicht.«
»Also gut. Sieht so aus, als müsste ich dich tragen.«
»Ich denke nicht …«
»Gute Idee«, gab er ihr ihre vorherige Spitze zurück. »Denken ist nicht deine Stärke.« Er hob sie mit beiden Armen hoch, verlor dabei fast das Gleichgewicht und stolperte ein paar Schritte vorwärts, bis er wieder festen Stand hatte.
»Lass mich bloß nicht fallen«, warnte sie ihn.
»Fordere es bloß nicht heraus.« Er trug sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und versuchte, ihre Schritte zurückzuverfolgen. »Verdammt. Ich seh überhaupt nichts.«
»Vielleicht hätten wir Brotkrumen streuen sollen.«
»Brotkrumen?« Regen tropfte von Tylers Nasenspitze in seinen Mund, sodass er das Wort förmlich ausspuckte.
»Hat deine Mutter dir nie die Geschichte von Hänsel und Gretel vorgelesen?«
»Kann sein. Ich erinnere mich nicht.«
»Du erinnerst dich nicht an die Geschichte von Hänsel und Gretel.«
»Ich erinnere mich nicht an meine Mutter.«
»Was soll das heißen, du erinnerst dich nicht an sie?« Brianne vergrub das Gesicht an seiner Brust, um sich gegen den stärker werdenden Regen zu schützen.
»Sie ist gestorben, als ich zwei war.«
»Wirklich? Das hast du mir nie erzählt. Wie ist das passiert?«
»Ich glaube, das ist jetzt der ideale Zeitpunkt, dieses Gespräch zu führen.« Wieder blitzte es, und diesmal folgte der Donnerschlag unmittelbar.
»Das Gewitter kommt näher«, stelle Brianne fest. »Wo ist denn diese blöde Lichtung?«
»Die sollte hier irgendwo sein.«
»Super. Wirklich sehr beruhigend.«
Sie gingen noch eine Minute weiter, der Regen prasselte von allen Richtungen auf sie ein, und der Wind wurde stärker. »Okay, da sind wir«, sagte Tyler nach einer weiteren Minute, setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab und kniete sich neben sie.
Brianne schirmte die Augen gegen den Regen ab und sah sich mutlos um. »Was soll das heißen, da wären wir? Wir sind nirgendwo.«
»Wir sind weg von den Bäumen und laufen damit weniger Gefahr, vom Blitz getroffen zu werden.«
»Aber hier werden wir patschnass.«
»Das sind wir sowieso schon.«
»Wir holen uns eine Lungenentzündung.«
»Würdest du lieber vom Blitz getroffen werden?« Tyler setzte sich, zog seine nasse Jacke aus und hielt sie über ihre Köpfe. »Ich hatte mal eine Lungenentzündung«, sagte er. »Das war kein Spaß.«
»Im Gegensatz zu
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