Das Herz Des Daemons
Juliens. Der spannte sich neben mir. Seine Finger schlossen sich fester um meine.
Adriens Blick ging von meinem Gesicht zu unseren Händen und weiter zu seinem Bruder. »Bastien hatte recht. Das Ganze war tatsächlich nur ein Bluff. Sie bedeutet dir etwas.« Die Worte waren weniger Frage als Feststellung. »Und als du behauptet hast, du hättest dieses Spiel nur gespielt, um herauszufinden, warum Gérard sich so für sie interessiert, hast du auch die Wahrheit gesagt.«
Julien nickte wieder. Diesmal jedoch steif und ang spannt. Beinah schien es, als würde er jeden Moment gegen seinen Bruder die Zähne fletschen.
»Natürlich.« Das Wort klang ein bisschen wie ein Seufzen. Abermals presste Adrien die Finger gegen die Stirn.
Mein Magen zog sich zusammen. Warum hatte ich eigentlich nie daran gedacht, dass er nicht begeistert darüber
sein
würde,
wenn
sein
Bruder
sich
ausgerechnet das Mädchen als Freundin ausgesucht hatte, das er ursprünglich ermorden sollte? Für einen Moment schloss er die Augen, ehe er den Kopf schüttelte. »Lass uns später reden, Julien. Über alles. Jetzt müssen wir erst einmal die Spuren beseitigen. Sonst haben wir außer Gérard auch noch denRat am Hals. - Und das schneller, als uns lieb ist.«
Juliens neuerliches Nicken fiel kaum weniger steif aus als sein vorheriges, während er mir den Arm um die Schulter legte und mich an sich zog. Ich klammerte mich an ihn. Den Blick, mit dem Adrien mich bedachte, während Julien, ohne mich länger als unbedingt nötig loszulassen, seinen Bogen aufhob, bevor wir uns auf den Weg zurück zur Lagerhalle machten, ignorierte ich. Jetzt, da es vorbei war, hielt ein Teil von mir es für eine ausgezeichnete Idee, hysterisch zu werden. Nur ein bedeutend kleinerer Teil plädierte dafür, dass ich mich tiefer in jene Taubheit flüchten sollte, die bisher wohl das Zittern in mir weitestgehend in Schach gehalten hatte. Ich bohrte mir die Fingernägel in die Handfläche und klammerte mich stur weiter an die Taubheit.
Nur zögerlich betrat ich kurz darauf die Lagerhalle. Vorsichtig vermied ich es, genauer hinzusehen, was da an einigen Stellen lag. Julien hielt mich fest im Arm, offenbar jederzeit bereit, mich umzudrehen und mein Gesicht an seiner Brust zu bergen.
Die junge Frau lag mehr oder weniger an derselben Stelle, an der sie aufgekommen sein musste, nachdem Julien es einen Sekundenbruchteil, bevor das Seil Adriens Fall abrupt beendet hätte, geschafft hatte, ihn abzufangen. Julien hatte Adriens Hände befreit, sodass der wiederum die Schlinge von seinem Hals zerren konnte, was auch sie außer Gefahr brachte. Offenbar hatten die Brüder in ihrem Bestreben, Bastien und mich einzuholen, nichts weiter getan, als auch ihr die Schlinge abzunehmen und denselben Mantel über sie zu breiten, der mir zuvor schon als Decke gedient hatte, ehe sie sich an die Verfolgung machten. Vielleicht hatten sie ihr den Anblick der Toten um sie herum ersparen wollen, denn der Stoff war bis über ihren Kopf gezogen.
Ich konnte gut verstehen, dass sie sich mit einem beinah panischen Laut zusammenkauerte, als Adrien sich neben sie kniete und ihn beiseitezog. In ihren Augen stand noch immer das blanke Entsetzen, als sie ihn über die Schulter ansah. Sie war nach wie vor gefesselt und geknebelt. Einen Moment schien es, als wollte sie von ihm wegkriechen. Ihre Atemzüge kamen viel zu hastig.
»Schsch. Ich bin es nur, Cathé ...«Julien spannte sich, als Adrien zu dem Namen ihrer Schwester ansetzte, doch da verbesserte der sich schon. »... Kathleen. Ganz ruhig. Es ist vorbei.« Ähnlich sanft wie Julien gewöhnlich mit mir umging, drehte er sie zu sich um und lehnte sie gegen sich. »Das wird jetzt wehtun«, warnte er, während er nach einer Ecke des Klebebandes über ihrem Mund griff. Sie zuckte trotzdem mit einem Keuchen zurück, als er es mit einem Ruck abriss. »Alles in Ordnung. Es ist vorbei.«
»Ben?« Ihre Stimme zitterte.
»Ben?«, echote Julien verblüfft.
Mit einer knappen üeste bedeutete Adrien ihm wortlos
»Später!«.
»Sie ... sie waren wie du«, stammelte sie.
Juliens Brauen rutschten ein ganzes Stück höher. Ihr Blick huschte an Adrien vorbei in die Dunkelheit.
»Sie ...«
»Das ist jetzt nicht wichtig, Kathleen.« Behutsam nahm er ihr Gesicht in beide Hände. »Sieh mir in die Augen.« Sie gehorchte. Ihr Blick wurde beinah in der gleichen Sekunde glasig. Unverwandt hielt Adrien ihn mit seinem fest. Ganz allmählich wurden ihre Atemzüge ruhiger -
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