Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
Schweigen wieder an.
»Er – er hat noch keinen Namen«, sagte sie und wischte eine weitere Träne von ihrer Wange. »Mary sagte, das wäre deine Aufgabe.«
Schmerz überzog sein Gesicht, und seine Hand zitterte, als er seinen Sohn erneut ansah und mit einem großen Finger über sein Gesichtchen strich – ganz ähnlich, wie Mary es auf dem Totenbett getan hatte.
In diesem Augenblick begann Grace hemmungslos zu weinen. Sie musste ihren Gefühlen freien Lauf lassen.
»S-sie sagte, du würdest ihn lieben, wie es niemand anderer auf dieser Welt kann«, schluchzte sie, entschlossen alles zu sagen, bevor sie ganz zusammenbrach. »Ich habe Mary versprochen, ihn zu dir zu bringen, und das tue ich hiermit. Jetzt will ich dein Versprechen, dass du ihn lieben und für ihn sorgen wirst, wie Mary es für ihren Sohn gewollt hätte.«
»Ich verspreche es«, sagte er erschüttert, nickte bekräftigend und sah erneut seinen Sohn an, wobei ein Leuchten neuer Lebenskraft in seine Augen trat. Das Baby griente ihn ununterbrochen an, und Michael MacBain drückte die Wange des Kindes überwältigt an die seine.
»Gut«, weinte Grace, wandte sich um und wollte nur noch nach Hause, nur noch alleine sein und sich ihrem Schmerz hingeben.
»Grace.«
Sie blieb stehen, als sie Greys Stimme hörte, und drehte sich um.
»Hier lang geht es nach Hause«, sagte Grey und deutete in Richtung Gu Brath.
»Nein, heute nicht«, flüsterte sie. »Noch nicht.«
Sie setzte sich wieder in Bewegung – und diesmal hielt sie niemand auf. Niemand sprach mehr ein Wort. Grace konzentrierte sich darauf, einen stollenbewehrten Fuß vor den anderen zu setzen und sich Mühe zu geben, nicht über ihr gebrochenes Herz zu stolpern.
KAPITEL 22
D aar saß in seiner gemütlichen kleinen Hütte vor dem Feuer und schnitzte an dem neuen Kirschholz-Stab. Gewissenhaft entfernte er lange Streifen Rinde vom Holz, die sich dabei ringelten, und das Aroma von Kirschöl erfüllte angenehm die Luft. Der junge Ast fühlte sich seltsam an in Daars vom Alter knorrig gewordenen Händen. Seine glatte, gerade, makellose Oberfläche ließ sich nicht leicht festhalten. Der Stab war sehr viel kleiner und kürzer als sein alter Stab. Aber andererseits war er ja auch für eine viel kleinere Hand vorgesehen.
Dieser neue Stab würde einer Frau gehören.
Nämlich Winter, Grey und Graces siebter Tochter.
Er hatte diese Arbeit schon zu lange hinausgeschoben, und jetzt, nachdem sein eigener Stab entzwei war und ein Stück davon auf dem Grund des Bergsees lag, war es nötig, dass er sofort damit begann, diesen neuen Stab zu schnitzen und anzulernen.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er ihn Winter überreichte, würde er erst einen oder zwei Knoten haben. Doch sie würde mit ihm alt werden, wenn sie ihn erst einmal bekommen hatte. Er würde sie beide unterrichten, und so wie Winters Kräfte mit dem Wissen zunahmen, würde der Stab sich winden, Knoten bekommen und stärker werden. So waren die Dinge eben in seiner Welt der Magier.
Daar strich mit der Hand über die glatte Oberfläche des frisch befreiten Holzes. Er konnte immer noch nicht glauben, dass sein Krieger die Dreistigkeit – oder die Voraussicht – besessen hatte, seinen Stab in den See zu werfen. Grey kannte
die Gefahr, die Daars Stab bedeutete. Er hatte seine Kräfte am eigenen Körper erlebt. Ja, Greylen MacKeage hatte gewusst, als er das letzte Stück des noch bebenden Holzes in der Hand hielt, dass er die Macht berührte, mit der er und seine Männer zurück in ihre eigene Zeit hätten gelangen können.
Und indem er ihn auf den Grund jenes Gebirgssees verbannte, hatte Greylen absichtlich jede Chance vertan, dass so etwas je wieder geschehen konnte.
Grey gab sich nicht die Mühe zu klopfen. Er betrat schweigend Graces Küche, zog die Schuhe aus und legte seine Jacke und die Dose mit Marys Asche auf den Tisch. Das Haus war unheimlich still, nur ab und zu knackte im Feuer des Kamins im Wohnzimmer ein Holzscheit, und dann und wann war ein leises Schniefen von dort zu hören.
Auf Socken ging er hinüber, und das Herz sank ihm bis zu den Knien.
Grace saß im Schneidersitz auf dem Sofa, neben sich eine Schachtel mit Papiertaschentüchern und die benutzte Menge einer zweiten Schachtel, die im Kamin gloste. Er sah zu, wie sie sich die Nase putzte und ein weiteres Taschentuch ins Feuer warf. Sie hatte solchen Kummer, und er wusste beim besten Willen nicht, wie er ihr helfen sollte.
Heute hatte sie das Kind aufgegeben, das
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