Das Herz des Jägers
dort würden sich an einen großen Schwarzen auf einem Motorrad erinnern. Herrje, er fürchtete sich davor, auf diesem Ungetüm im Dunkeln über den Paß zu fahren. Und dahinter gab es noch mehr Pässe, noch mehr dunkle Straßen mit scharfen Kurven und entgegenkommenden Lastwagen.
Was sollte er tun?
Ein Taxi würde nicht funktionieren, nicht um diese Zeit in der Nacht.
Sieh es positiv! Er war unterwegs. Unterdrück das Verlangen, das Motorrad loszuwerden! Nutze die Dunkelheit! Nutze den Vorsprung, den du hast! Nutze das Überraschungsmoment! |75| Sie hatten keine Ahnung, obwohl die beiden Schnüffler vor dem Motorradladen in ihrem Auto gesessen hatten. Es würde bis morgen früh dauern, bevor jemand bemerkte, daß die GS verschwunden war, er hatte …
Er hatte die Alarmanlage nicht wieder angeschaltet. Diese Erkenntnis donnerte ihm wie ein Hammerschlag in den Kopf. In seiner Eile hatte er vergessen, die Alarmanlage wieder anzuschalten.
Herrje, war er schlampig geworden.
Als er die Abzweigung Stellenbosch passierte, war seine Wut auf Johnny Kleintjes und die Leute vom Geheimdienst und seine eigene Dummheit größer als seine Angst vor dem Motorrad geworden, und er fluchte im Inneren seines Helms in allen Sprachen, deren er mächtig war.
»Das glaube ich nicht«, sagte Bodenstein. Sie standen im Ausstellungsraum von Mother City Motorrad, die beiden Agenten und der Besitzer. Bodenstein hielt ihnen ein Stück Papier hin. »Lesen Sie, was er geschrieben hat. Ist das zu glauben?«
Nathan nahm den Zettel.
Mr. Bodenstein,
ich leihe mir die
GS
-
Ausstellungsmaschine für ein oder zwei Tage. Ich habe mir auch einen Anzug, einen Helm und Handschuhe genommen, dafür habe ich Ihnen Geld in Ihre Schreibtischschublade gelegt. Unglücklicherweise muß ich dringend einem Freund helfen und hatte keine andere Wahl. Die Abnutzung und jegliche Schäden an dem Motorrad werde ich selbstverständlich übernehmen.
Thobela Mpayipheli
»Da glaubt man, jemanden zu kennen. Man meint zu wissen, wem man vertrauen kann«, sagte Bodenstein.
»Was ist die GS?« fragte Johnny.
»Das ist dieses gottverdammte Riesending, bloß in Gelb«, |76| sagte Bodenstein und zeigte auf ein silbernes Motorrad im Ausstellungsraum. »Er wird böse stürzen. Das ist kein Spielzeug.«
Sieh die Wirklichkeit, so wie sie ist, nicht so, wie du sie sehen willst, lautet eines der Prinzipien von Janina Mentz.
Deswegen nahm sie die Entwicklungen gelassen hin.
Sie dachte über die Geschehnisse nach, während es im Einsatzraum um sie herum brodelte. Sie stand still am Ende des langen Tisches, eine Hand ans Kinn gelegt, den Ellenbogen in die andere Hand gestützt, den Kopf gesenkt, ein Bild ruhiger Nachdenklichkeit. Sie war sich der Tatsache bewußt, daß der Direktor jedes Wort hören würde, sie wußte, daß ihre Reaktion und die Entscheidungen, die sie traf, ihr Handeln und ihre Körpersprache, einen Eindruck bei ihrem Team hinterließen.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Straße, die der flüchtige Thobela Mpayipheli nehmen mußte. Er wollte nach Norden, und die N1 führte wie eine dicke, verdrehte Arterie ins Herz Afrikas. Der Grund für sein Handeln blieb unklar, aber mittlerweile war es auch unwichtig. Sie konzentrierte sich auf den Weg: die Implikationen, die Gegenmaßnahmen, die Prävention, die Schadensbegrenzung.
Mit sanfter, ruhiger Stimme gab Janina Mentz die Anweisung, eine große Landkarte an der Wand aufzuhängen.
Mit roter Tinte trug sie die wahrscheinlichste Route ein. Sie definierte die Aufgabe der Reaction Unit: Diese Einheit sollte ihr Fangnetz sein, sie würde den Mann 37 Kilometer nördlich von Beaufort West willkommen heißen, dort, wo sich die Straße gabelte und die Möglichkeiten sich verdoppelten – über Kimberley nach Johannesburg links oder über Bloemfontein nach Johannesburg rechts.
Sie bat Quinn und Radebes Leute, die Polizeiwachen und Verkehrsüberwachungsstationen an der Strecke einzuschalten und anzuweisen, nur Informationen weiterzuleiten, aber nicht eigenmächtig zu handeln, denn der bewaffnete Flüchtige |77| war immer noch ein großer Risikofaktor. Außerdem wußten sie nun, daß er schießen konnte.
Die Tatsache, daß sie im Unwissen darüber gehandelt hatten, ärgerte Janina Mentz immer noch, und die neuen Instruktionen mußten dies richtigstellen: Ermittler zu Miriam Nzululwazi, zu Monika Kleintjes. Jetzt wurden die Glacéhandschuhe ausgezogen. Man mußte die Familie des Flüchtigen ausfindig
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