Das Herz des Loewen
daran gebt.“ Seufzend fügte er hinzu: „Lion bat mich, ihn hierherzubegleiten, als er Eure Schwester heiraten wollte. Aber ich musste in Wales kämpfen.“ „Macht Euer Vater Euch für Lions Tod verantwortlich?“ „Genauso, wie mich mein eigenes Gewissen plagt.“
„Ihr wart nicht einmal hier, als Lion starb ...“
„Wäre ich hier gewesen, würde er vielleicht noch leben.“ „Also sind wir wieder beim alten Thema.“
„Das werde ich weiterverfolgen, bis ich die Wahrheit kenne. Lion wurde von einem Pfeil im Rücken getroffen, nachdem Eure Schwester ihn mit einer geheimnisvollen Nachricht von der Jagdgesellschaft weggelockt hatte.“
„Glaubst du, sie wollte ihm schaden? Niemals. Nach seinem Tod wäre sie selber beinahe gestorben, konnte weder essen noch schlafen. Sie liebte ihn über alles.“
„Wenn sie sich unschuldig fühlt - warum ist sie dann weggelaufen?“
„Das darf ich nicht sagen.“
„Ist Lucais ihr Liebhaber?“
Freudlos lachte sie. „Lucais ist dreizehn, Siusan sechzehn, und seine gewaltige Hakennase übertrifft sogar den Schnabel, der aus dem Gesicht seines Vaters ragt. Letzte Nacht hast du behauptet, Papa habe Lion wegen jener Geschäfte getötet. Und jetzt das! Mit aller Macht sucht Ihr jemanden, der für den Tod Eures Bruders büßen soll. Dieses Bedürfnis verspürte ich auch, als Ewan gestorben war.“ Dessen Tod hatte sie Comyn anlasten wollen, aber er war damals nicht in Curthill gewesen.
„Warum ist Eure Schwester dann überhaupt mit Lucais verschwunden?“
Verdammt! Offensichtlich konnte sie nicht so gut Lügen erzählen wie Legenden. „Kurz nach Lions Tod verließ sie uns.“ Sobald Siusan bemerkt hatte, dass sie guter Hoffnung war, erwachte sie aus ihrer lähmenden Betäubung und verließ die Burg. „Lucais ging mit ihr, weil sie einen Begleiter brauchte.“
„Und wohin sind die beiden geflüchtet?“ Ross warf den Becher zu Boden, den Megan ihm gereicht hatte. Wie Blut glänzte der verschüttete Wein auf der hellgrauen Decke. „Ihr wisst etwas. Sagt es mir!“
Es war verlockend, ihn einzuweihen, die eigene Bürde zu erleichtern ... Nein, noch nicht. Erst musste sie sich seiner Loyalität vergewissern und sichergehen, dass er in seinem eifrigen Bestreben, die Wahrheit herauszufinden, ihrer Schwester kein Leid zufügen würde. „Ich weiß nichts.“ Als sie sah, wie er vorsichtig seine linke Schulter bewegte, wechselte sie das Thema. „Die Wunde bereitet Euch Schmerzen. Erlaubt mir doch, sie zu säubern und zu verbinden.“
„Nein. Ich traue Euch nicht.“
„Niemand zweifelt an meiner Heilkunst. Und Ihr solltet Euch auf mich verlassen. Immerhin werden wir übermorgen heiraten.“
„Niemals kann Vertrauen zwischen den Sutherlands und den Carmichaels herrschen.“
„So wollt Ihr mich nicht heiraten“, flüsterte sie bedrückt. „Allerdings nicht.“
„Warum seid Ihr dann hergekommen?“
„Damit der König meinen Clan nicht mit Acht und Bann belegt ...“ Plötzlich schlug er auf sein Bein, und da fiel ihr wieder ein, warum sie ihm erklärt hatte, der Strand sei ein ungeeigneter Treffpunkt. „Verdammt, irgendwas hat mich gebissen!“, rief er, sprang auf und wischte über seine Hose.
„Sandflöhe.“ Krampfhaft verkniff sie sich das Lachen, als sie ihn umhertanzen und auf seinen Schenkel schlagen sah. „Deshalb wollte ich Euch hier nicht treffen.“
„Warum zum Teufel beißen sie Euch nicht?“
„Ich habe mich mit Flohkraut eingerieben.“
„Aha, Ihr wolltet mir also eine Lektion erteilen.“
„Aye.“ Sie versuchte, eine zerknirschte Miene aufzusetzen, aber das misslang ihr, wie sein feindseliger Blick verriet.
„Oh, diese heimtückischen Sutherlands!“, fauchte er, kehrte ihr abrupt den Rücken und stapfte über den Sand davon. Der würdevolle Abgang wurde etwas beeinträchtigt, weil er sich immer wieder bücken musste, um sein Bein zu kratzen. Auch die Männer, die ihm folgten, wurden nicht verschont. Fluchend kamen sie zwischen den Felsen hervor und klatschten sich auf die Schenkel.
Megan seufzte. Der kleine Fortschritt - letzte Nacht erzielt, als sie ihm das Leben gerettet hatte - war nun durch einen albernen Scherz wieder verdorben worden. Wie hatte sie nur vergessen können, welch großen Wert Männer auf ihren Stolz legten? Und was noch schlimmer ist, dachte sie, während sie die Mahlzeit, den Wein und die Becher wieder in den Korb packte, nun werde ich nicht so bald eine Gelegenheit finden, seine verletzte Schulter zu
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